Jannik Maczey

„Künstliche Intelligenz ist Hype und Schlüsseltechnologie“

KI wird viele Lebensbereiche dramatisch verändern, das wurde auch jetzt auf dem Big Bang KI Festival in Berlin deutlich. TK-Chef Dr. Jens Baas war dabei und wagte einen Ausblick auf die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen und darüber hinaus.

„In 99 Prozent der Zeit fährt mich das selbstfahrende Auto gut und sicher ans Ziel. In einem Prozent der Zeit will es mich anscheinend umbringen.“ Mit dieser Analogie versuchte TK-Vorstandschef Dr. Jens Baas, die Risiken und Chancen von Künstlicher Intelligenz zu beschreiben. Der Historiker Yuval Noah Harari hatte zuvor im Videointerview über sein neues Buch gesprochen. Darin zeichnet er ein pessimistisches Bild und fürchtet, Künstliche Intelligenz könnte der menschlichen Kontrolle entkommen und uns letztlich sogar versklaven oder auslöschen. In der anschließenden Diskussionsrunde im „Spindler und Klatt“ in Berlin-Kreuzberg war die Grundstimmung deutlich optimistischer.

Moderator Jens de Buhr, Markus Pflitsch (Terra Quantum AG), Dr. Jens Baas und Andrea Nitschke (BVR Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V.) (v.l.n.r.) diskutierten über KI und das neue Buch von Yuval Noah Harari

Zwar habe sich der anfängliche Riesenhype rund um KI und ChatGPT ein wenig gelegt, trotzdem ist Baas der festen Überzeugung: „Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Welt zu verändern, wie wenige Technologien zuvor.“ Die Technologie brauche aber noch Zeit, bis das wirklich spürbar werde.

„Wir neigen in Europa zu Überregulierung“

Eine Eigenschaft unterscheide KI von allen anderen bisherigen technologischen Entwicklungen: Man könne sie nicht komplett verstehen. Bisher seien selbst die komplexesten Techniken zumindest theoretisch nachvollziehbar und erklärbar. Bei KI sei das anders: „In absehbarer Zeit wird man nicht mehr mit vertretbarem Aufwand in der Lage sein nachzuvollziehen, wie und warum eine KI zu ihrem Ergebnis kommt“, so Baas. Das mache es auch schwieriger, Kontrollmechanismen zu entwickeln.

Bei dem Thema Regulierung wählte auch Harari einen Autovergleich: Wer lernt, Auto zu fahren, lerne als allererstes die Funktion des Bremspedals. Das Gaspedal folge in der Fahrschule erst später. In der KI-Entwicklung sei es genau andersherum, beschreibt Harari die derzeitige Entwicklung neuer KI-Systeme. Baas pflichtete ihm bei: Das Problem sei eine blinde Weiterentwicklung, ohne sich vorher Gedanken zu machen, was am Ende eigentlich dabei rauskommen könnte. Trotzdem plädierte Baas für ein gesundes Verhältnis im Umgang mit Chancen und Risiken und sagte: „Wir neigen in Europa zu Überregulierung.“

„Die größte medizinische Revolution seit Penicillin“

Auch in der Medizin werde KI in wenigen Jahren absolut selbstverständlich sein, sagte der Arzt Baas: „Es wird ein Kunstfehler sein, eine Diagnose ohne KI-Unterstützung zu stellen.“ Er betonte aber auch: Die letzte Entscheidung könne man nicht einem Computer überlassen, sie müsse unbedingt bei einem Menschen verbleiben. Trotzdem sieht Baas den Einsatz von KI in der Medizin sogar als größte Revolution seit der Entdeckung von Penicillin, die vor knapp Einhundert Jahren den Umgang mit bakteriellen Infektionen grundlegend verändert hat.

Moderator Thorsten Giersch, Lara Sophie Bothur und Dr. Jens Baas

Später im Gespräch mit Lara Sophie Bothur vom Beratungsunternehmen Deloitte ging es vor allem um die Chancen, die KI in Prävention und Forschung ermöglicht. „Sehr viel Leid entsteht durch chronische Krankheiten – und die lassen sich eigentlich gut vermeiden“, so Baas. Dafür brauche es zielgenaue Präventionsangebote. Bisher seien diese Angebote aber nicht immer bei den richtigen Menschen angekommen – auch weil dafür die nötigen Gesundheitsdaten fehlen. Diese Daten brauche es auch um seltene Krankheiten zu erforschen.

Gesundheitsdaten und KI: „garbage in – garbage out“

Viele Leute außerhalb des Gesundheitswesens würden sich wundern, in welch schlechter Qualität Gesundheitsdaten heute vorliegen. Hier müsse zunächst einmal sortiert werden und eine Ordnung reingebracht werden, so Baas. Bis dahin gelte „garbage in – garbage out“ (auf Deutsch etwa „Müll rein – Müll raus“): Aus schlechten Gesundheitsdaten ließen sich keine guten Behandlungen und gezielte Präventionsmaßnahmen machen.

„Gesundheitsdaten sind sehr sensibel“, aber Studien und Befragungen würden immer wieder zeigen, dass Menschen bereit seien, ihre pseudonymisierten Daten für die Erforschung neuer Heilungsmethoden und Medikamente zur Verfügung stellen. Eine klare Absage erteilte Baas allen Ideen, mithilfe von Gesundheitsdaten und KI Versicherte für ungesundes Verhalten zu bestrafen. Anders als eine Künstliche Intelligenz hätten wir etwas sehr Menschliches: Ein Recht, unvernünftig zu sein.

Das Big Bang KI Festival

Über 6.000 Personen waren zu Gast beim größten KI-Festival Europas. Gesundheit war eines der Schwerpunktthemen beim Big Bang KI Festival und die TK war bei drei Programmpunkten direkt beteiligt: Vorstandschef Dr. Jens Baas sprach mit Andrea Nitschke (Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V.) und Markus Pflitsch (Terra Quantum AG) über Künstliche Intelligenz und das neue Buch von Yuval Noah Harari und später mit Lara Sophie Bothur (Deloitte) über „Tech für Good“. Julia Böttcher aus dem HR-Marketing der TK sprach mit Jule Peters (People Branding Company) über LinkedIn.



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