Das von der EU im Rahmen des Horizon Europe Programm geförderte Projekt wird von der Universität Hamburg koordiniert und wurde im Rahmen des Osterempfangs 2024 der TK-Landesvertretung Hamburg vorgestellt. Es zeigt, wie mithilfe von KI auf die drängenden Fragen der Diabetes-Versorgung reagiert werden kann. Hierfür kommen sogenannte virtuelle oder auch digitale Zwillinge zum Einsatz, die in Zukunft in der Lage sein werden, personalisierte Vorhersagen zum Therapieerfolg zu machen. So kann anhand von virtuellen Zwillingen beispielsweise analysiert werden, wie eine Patientin oder ein Patient auf verschiedene Medikamente reagieren würde. Dadurch erhalten Ärztinnen und Ärzte eine Entscheidungshilfe, welche Therapie sie für den jeweiligen Patienten oder die Patientin auswählen.
Diese gezielte Therapieanpassung könnte nicht nur die Gesundheit der Patientin oder des Patienten verbessern, sondern auch die Kosten für das Gesundheitssystem senken. „Virtuelle Zwillinge helfen uns, schnelle und kosteneffektive Behandlungsvorhersagen zu treffen. Wir können so die Therapie optimieren und die Versorgung der Menschen mit Typ-2-Diabetes entscheidend verbessern“, sagt Bioinformatiker Prof. Dr. Jan Baumbach vom Fachbereich Informatik der Universität Hamburg, der auch die Gesamtkoordination des internationalen Projekts innehat.
Dringender Bedarf an personalisierten Vorhersagen
Laut der International Diabetes Foundation sind im Jahr 2024 weltweit fast 550 Millionen Menschen von Diabetes betroffen. Diese Zahl wird bis 2045 auf 783 Millionen steigen. 90 bis 95 Prozent davon leiden an Diabetes Typ 2. „Jetzt schon betragen die weltweiten, jährlichen Kosten für Diabetes 883 Milliarden Euro. Um das Leid der Patienten und Patientinnen zu lindern und um diese Kosten so weit wie möglich einzudämmen, besteht ein dringender, aber bisher ungedeckter Bedarf an personalisierten Vorhersagen der Behandlungsergebnisse von spezifischen Typ-2-Diabetes-Therapien“, erläutert Baumbach die Beweggründe für die Initiierung von „dAIbetes“.
Diversität von Daten ist entscheidend für den Erfolg
Um die Zwillings-Modelle mithilfe von KI präzise zu trainieren und Therapieergebnisse effizient vorherzusagen, werden große Datenmengen benötigt. Im Projekt geschieht das durch sogenanntes föderiertes Lernen. Unter föderiertem Lernen wird eine Technik des maschinellen Lernens verstanden, bei der ein Modell auf mehreren Geräten trainiert wird. Dabei werden keine identifizierbaren Rohdaten geteilt, sondern lediglich die Parameter der lokal trainierten KI-Modelle: „In dAIbetes werden Gesundheitsdaten aus fünf Ländern und von circa 800.000 Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes durch föderiertes Lernen analysiert, um wirksame virtuelle Zwillinge zu erstellen. Die Daten bleiben lokal gesichert und müssen nicht in eine Cloud geladen werden, was die internationale Kollaboration mit datenschutzrechtlich geschützten Gesundheitsdaten möglich macht“, erklärt Baumbach.
Genauigkeit der Prognosen verbessern
Ein weiterer zentraler Aspekt des Projekts ist die Validierung der Prognosen, führt er weiter aus: „Wir zielen darauf ab, modellbasierte Vorhersagen klinischer Ergebnisse mit einem Vorhersagefehler zu ermöglichen, der mindestens zehn Prozent niedriger ist als die derzeit verwendeten Prognosen auf Basis des Bevölkerungsdurchschnitts. Momentan steht das Projekt noch ganz am Anfang, aber in der Zukunft werden wir die virtuellen Zwillinge anhand einer pragmatischen Machbarkeitsstudie mit mindestens 3.600 Patientinnen und Patienten aus sechs Krankenhäusern rund um den Globus validieren.“ Das soll die Praxistauglichkeit der digitalen Zwillinge nochmals untermauern.
Bis zum Projektende im Jahr 2028 verfolgt „dAIbetes“ das Ziel, die erste hochintegrierte, dezentrale Gesundheitsdatenplattform zu entwickeln, die klinische Daten, föderiertes Lernen und international einheitliche und validierte virtuelle Zwillinge für die personalisierte Ergebnisvorhersage der Typ-2-Diabetes-Behandlung umfasst. Prof. Dr. Baumbach ist sich sicher: „Auf lange Sicht wird dAIbetes als Blaupause für die nächste Generation von föderierten Patientenregistern dienen, um personalisierte Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen.“