Mit EASEE bietet das Start-up Precisis den weltweit ersten CE-zertifizierten Hirnschrittmacher für Epilepsie-Patientinnen und -Patienten an, der nicht ins Gehirn implantiert wird, sondern durch den Schädelknochen hindurch wirkt. Der CEO Karl Stoklosa erklärt im Interview, wie damit Menschen geholfen wird, deren Epilepsie nicht ausreichend über Medikamente behandelt werden kann.
Wie funktioniert das von Ihnen entwickelte Elektrostimulationssystem EASEE für Epilepsiepatientinnen und -patienten, die schlecht auf eine Behandlung mit Medikamenten ansprechen?
Stellen Sie sich vor, jemand lebt jeden Tag mit der Angst vor einem unkontrollierbaren epileptischen Anfall – und Medikamente helfen einfach nicht. Für diese Menschen haben wir EASEE entwickelt. EASEE ist der weltweit erste vergleichsweise minimal-invasive Hirnstimulator, der unter die Kopfhaut implantiert wird, ohne das Gehirn zu berühren. Die Elektronik arbeitet präzise im Hintergrund und sendet Stimulationspulse an genau den Bereich des Gehirns, der die Anfälle verursacht. Mit zwei Arten von Stimulation versucht EASEE, Anfälle zu verhindern, bevor sie überhaupt beginnen – oder sie so stark abzuschwächen, dass sie nicht mehr das Leben bestimmen. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das weniger Angst und mehr
Wie entstand die Idee und wie wurde daraus das Start-up Precisis?
Die Idee für EASEE entstand aus der Erkenntnis, dass viele Epilepsiepatientinnen und -patienten nicht ausreichend von herkömmlichen Medikamenten profitieren und alternative Behandlungen sehr invasiv und sowohl belastend als auch riskant sind. Dr. Angela Liedler, unsere Gründerin, erkannte das und hatte eine klare Vision: Eine Lösung, die effektiv ist, aber weniger invasiv und fokussierter als bestehende Methoden. Aus dieser Vision entstand das Start-up Precisis – mit einem einfachen Ziel: den Menschen, die von funktionellen Hirnerkrankungen wie Epilepsie betroffen sind, mehr Lebensqualität zu ermöglichen.
Wer sind die treibenden Kräfte hinter Precisis?
Precisis ist mehr als nur ein Unternehmen – es ist ein Team aus 34 engagierten Menschen, die alle an einem Strang ziehen, um das Leben von Epilepsiepatientinnen und -patienten zu verbessern. Unser Team besteht aus Expertinnen und Experten aus Physik, Medizin, Medizintechnik, Vertrieb und Marketing. Aber vor allem sind wir leidenschaftlich in unserer Mission, Menschen zu helfen. Gemeinsam haben wir etwas geschaffen, das nicht nur auf dem Papier gut aussieht, sondern das Leben von Menschen positiv verändert.
Wo wird EASEE bereits eingesetzt?
EASEE wird heute in fünf europäischen Ländern eingesetzt: Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien und Portugal. Die Technologie hat in diesen Ländern bereits über 100 Menschen geholfen, die an medikamentenresistenten fokalen Epilepsien leiden. EASEE ist CE-zertifiziert und wird kontinuierlich optimiert, um die Behandlungsergebnisse zu verbessern. Wir arbeiten mit führenden Epilepsiezentren zusammen, die auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten spezialisiert sind, für die allgemeine Neurologen keine wirksame Lösung gefunden haben. Das betrifft etwa 30 Prozent aller Epilepsiebetroffenen. In diesen Zentren kümmern sich Expertinnen und Experten um die Implantation, Programmierung und laufende Überwachung des EASEE-Systems, um optimale Ergebnisse zu gewährleisten. Zu den renommierten Zentren zählen das Universitätsklinikum Freiburg, das Universitätsklinikum Mainz und das Universitätsklinikum Heidelberg, wo wir hervorragende Ergebnisse in der Versorgung und im Behandlungsfortschritt erzielt haben.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Unsere Reise hat gerade erst begonnen. Wir arbeiten aktiv daran, die Reichweite von EASEE nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten auszuweiten. Parallel dazu treiben wir die Weiterentwicklung unserer Technologie voran. Die klinische EASEE4YOU-Studie untersucht die transkraniale fokale Kortexstimulation (also die Stimulation bestimmter Hirnbereiche durch den Schädelknochen hindurch) von medikamentenresistenten Epilepsien bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren. Jugendliche haben oft noch weniger Behandlungsoptionen als Erwachsene, weshalb es entscheidend ist, neue, wirksame Lösungen zu erforschen. Für uns hat es oberste Priorität, diesen Patientinnen und Patienten den Zugang zu der vielversprechenden EASEE-Technologie zu ermöglichen, da sie das Potenzial hat, ihre Lebensqualität erheblich zu verbessern und Hoffnung zu geben, wo bisher nur begrenzte Möglichkeiten existieren.
Mit Künstlicher Intelligenz und personalisierter Medizin möchten wir die Behandlung noch effizienter und individueller gestalten. Unser langfristiges Ziel ist es, EASEE als Standardbehandlung für medikamentenresistente Epilepsie zu etablieren, damit noch mehr Menschen weltweit von dieser bahnbrechenden Technologie profitieren können.
Zur Person
Karl Stoklosa ist seit September 2024 Geschäftsführer (CEO) des Heidelberger MedTech-Unternehmens PRECISIS GmbH. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen bei Abbott Laboratories tätig und gilt als globaler Spitzenmanager.