Denise Jacoby

Health-i-Award 2024: Virtueller Assistent für die Notaufnahme

Der Health-i Award, den Handelsblatt und TK jedes Jahr vergeben, zeichnet wegweisende Projekte aus, die in der Gesundheitsversorgung neue Impulse setzen. Das Start-up „dianovi“ konnte sich mit einem KI-basierten Unterstützungsprogramm für die Notaufnahme 2024 den dritten Platz sichern.

Im Interview erklären die beiden Gründer Nils Bergmann und Elias Hofmann, was ihre Anwendung leisten kann und welche Visionen sie für ihr junges Unternehmen haben.

Welche Eigenschaften braucht es aus Ihrer Sicht, um im Gesundheitswesen zu gründen?

Nils Bergmann

Nils Bergmann: Eine Gründung im Gesundheitswesen erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und ein tiefgreifendes Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen. Im klinischen Alltag wird unser KI-basiertes Unterstützungsprogramm für die Notaufnahme von Krankenhausärztinnen und -ärzten und dem Pflegepersonal eingesetzt. Allerdings liegt die Finanzierung der Lösung bei den Krankenhäusern, die andere Interessen haben können.

Elias Hofmann: Komplexe Geschäftsmodelle, die zusätzliche Akteure wie Krankenkassen betreffen, bringen noch mehr Herausforderungen mit sich, da alle Beteiligten unterschiedliche Erwartungen und Vorgaben haben. Diese Interessen zu vereinen und eine Lösung zu schaffen, die den Ansprüchen und Bedürfnissen aller Parteien gerecht wird, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Hinzu kommen umfangreiche regulatorische Anforderungen, die in der Medizin und speziell bei digitalen Gesundheitslösungen eine entscheidende Rolle spielen. Es erfordert einen langen Atem und die Bereitschaft, sich von diesen zahlreichen Hürden nicht abschrecken zu lassen. Zudem ist es essenziell, ein starkes Netzwerk aufzubauen, das mit Rat und Unterstützung zur Seite steht.

Wie ist „dianovi“ entstanden?

Bergmann: Unser Start-up entstand aus einem Universitätsprojekt an der TU Darmstadt, bei dem wir im Bereich KI in der Medizin geforscht haben und bereits früh vielversprechende Ergebnisse erzielen konnten. Parallel dazu habe ich durch meine Familie, in der es mehrere Krankenhausärzte gibt, wertvolle Einblicke in die täglichen Herausforderungen an der Klinik erhalten. Besonders in der Notaufnahme müssen junge Assistenzärztinnen und -ärzte oft allein wichtige Entscheidungen treffen und schon früh eine große Verantwortung übernehmen. Hier erkannten wir, dass digitale Lösungen, insbesondere KI-basierte Unterstützungssysteme, den medizinischen Alltag und vor allem den hektischen Ablauf in Notaufnahmen nachhaltig verbessern können.

Mithilfe von KI können wir große Datenmengen von Tausenden vergleichbaren Fällen effizient verarbeiten und analysieren, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern und die Versorgung zu optimieren. Von Anfang an standen die Ärztinnen und Ärzte in den Notaufnahmen als Anwendende unserer Lösung im Mittelpunkt: Durch umfassende Interviewreihen und Hospitationen in den Kliniken konnten wir ihre spezifischen Probleme und Bedürfnisse genau verstehen. Auf Basis dieser Erkenntnisse und durch die enge Zusammenarbeit vor Ort sind wertvolle Partnerschaften mit führenden Notaufnahmen entstanden, bei denen die Ärztinnen und Ärzte aktiv in unsere Entwicklungsprozesse eingebunden sind.

Elias Hofmann

Was kann Ihre KI-basierte Lösung leisten und wo wird sie in der Praxis genutzt?

Hofmann: Unsere Software fungiert als ein digitaler Assistent, der Ärztinnen und Ärzte in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt und die Qualität der Versorgung erhöht. Unsere Technologie umfasst dabei zwei wesentliche Anwendungsbereiche. Erstens die Qualitätssicherung bei Arztbriefen: Das Tool analysiert die Informationen, die im Arztbrief dokumentiert sind, und prüft sie auf Abweichungen von medizinischen Leitlinien. Dadurch liefert es direktes Feedback für Assistenzärztinnen und -ärzte und sorgt für eine klare Übersicht für die Oberärztinnen und Oberärzte. Der zweite Bereich ist die Live-Unterstützung während der Behandlung: Das Tool wertet in Echtzeit Patientendaten wie Symptome und Vitalparameter aus und berechnet die wahrscheinlichsten Diagnosen oder auch, welche Diagnosen zunächst ausgeschlossen werden können. Zudem empfiehlt das Tool, welche ambulanten oder stationären Maßnahmen und Therapieoptionen ergriffen werden sollten, um die Behandlung bestmöglich zu steuern.

Für den ersten Anwendungsbereich haben wir bereits eine Pilotphase in drei Kliniken abgeschlossen und wird noch im ersten Quartal 2025 auf dem Markt verfügbar sein. Für den zweiten Anwendungsbereich planen wir den Markteintritt für Ende des Jahres.

Eine Gründung im Gesundheitswesen erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und ein tiefgreifendes Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen.

Nils Bergmann

Zum Zeitpunkt der Preisverleihung firmierten Sie noch unter dem Namen „My Sympto“. Warum haben Sie Ihr Start-up umbenannt und welche Visionen verfolgen Sie?

Bergmann: Der ursprüngliche Name „MySympto“ entstand zu einer Zeit, als wir uns noch auf den Symptom-Checker konzentrierten. Um unsere breitere Ausrichtung deutlicher zu machen, entschieden wir uns für den Namen „dianovi“. Dieser setzt sich aus den lateinischen Begriffen „Diagnosis“ und „Novum“ zusammen und steht für eine neue, innovative Art der Diagnosestellung und personalisierten Medizin.

Hofmann: Wir sehen großes Potenzial für unsere Lösung im gesamten stationären sowie im ambulanten Bereich, etwa in Arztpraxen oder medizinischen Versorgungszentren. Unser Ziel ist es, dem medizinischen Fachpersonal die bestmögliche Unterstützung zu bieten, damit sie fundierte, personalisierte Entscheidungen für ihre Patientinnen und Patienten treffen und so die optimale Versorgung sicherstellen können.

*Titelfoto: Marc-Steffen Unger



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