Warum ist eine ärztliche Zweitmeinung vor einer Kniegelenkersatz-OP sinnvoll?
Nach dem Einsatz einer Knie-Prothese können weiterhin Schmerzen bestehen, beispielsweise, weil die Indikationsstellung nicht richtig war und der Schmerz woanders herkommt. Darüber hinaus kann es wie bei jeder Operation zu Wundheilungsstörungen oder Infektionen kommen. Auch wenn Verschleißerscheinungen heute zwar seltener sind, entstehen Abnutzungen der Prothese, so dass bei jüngeren Patientinnen und Patienten sehr wahrscheinlich irgendwann eine Revision ansteht. Also wieder eine, diesmal deutlich größere, Operation, die ihre Risiken birgt. Deshalb sollte man unbedingt vorher klären, ob ein Gelenkersatz zum jetzigen Zeitpunkt notwendig ist.
Prof. Dr. Wolfgang Böcker von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Welche Alternativen gibt es zur Kniegelenkersatz-OP?
Es gibt verschiedene konservative Therapiemöglichkeiten, wie beispielsweise eine Schmerztherapie und unterschiedliche physikalische Maßnahmen wie Physiotherapie. Auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie empfiehlt ganz ausdrücklich, dass man bei Betroffenen erst einmal einen konservativen Therapieversuch über drei Monate machen sollte.
Gibt es erste Erfahrungswerte, wie oft sich die OP-Empfehlung bei DocRobin nicht bestätigt?
Der Wert liegt im Moment bei ca. 50 Prozent, aber wir haben ja auch erst etwas über 100 Patientinnen und Patienten begutachtet. Tatsache ist, dass wir immer wieder Patientinnen und Patienten rausfischen, bei denen wir erst einmal eine konservative Therapie empfehlen. Insgesamt führt die Online-Zweitmeinung zu sehr genauen Befundberichten, weil die Patientinnen und Patienten die Fragen in Ruhe beantworten und ihre Röntgenbilder hochladen können. Bei unserer digitalen Befunderhebung können die rund 80 Fragen ohne Stress und bequem daheim vor dem Computer, dem Tablet und sogar am Handy beantwortet werden.
Wie entstand die Idee für DocRobin?
Wir haben die digitale Zweitmeinung eingeführt, um einen besseren Zugang zu den Patientinnen und Patienten zu bekommen. Grundsätzlich ist die Hemmschwelle zu einem anderen Arzt oder zu einer anderen Ärztin zu gehen, um sich eine zweite Meinung zu holen, sehr hoch. Für Betroffene kann es wie eine Art Vertrauensmissbrauch gegenüber dem primär behandelnden Arzt oder der Ärztin sein. Und bei Knieproblemen kommt ja auch noch der mobilitätsabhängige Schmerz hinzu, weshalb man nicht gerne lange Wegstrecken zurücklegt.
Wie funktioniert DocRobin?
Bei DocRobin gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder klickt man sich wie bei einer Chat-Funktion durch Fragen mit vorgeblendeten Antworten. Oder man wählt den Avatar und wird von diesem durch die Fragen begleitet. Im Fall einer anstehenden Kniegelenkersatz-OP ist das meine Person als Avatar, der einen nach Leitlinien abgestimmten Fragebaum mit dem Patienten oder der Patientin durchgeht. Insgesamt dauert das ungefähr 20 Minuten. Außerdem werden die hochgeladenen Röntgenbilder mit Hilfe eines KI-gestützten Verfahrens analysiert und dabei der Grad der Arthrose des Kniegelenks bestimmt. Aus all den Informationen erstellen qualifizierte Ärztinnen und Ärzte eines orthopädischen Fachzentrums einen individueller Befundbericht, aus dem dann eine Empfehlung abgeleitet wird.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der Digitalisierung der Zweitmeinung und der Sprechstunde mit einem Avatar?
Besonders die Anamnese kann gut mit digitaler Unterstützung durchgeführt werden, damit sich die Ärztin oder der Arzt im persönlichen Gespräch auf das Wesentliche konzentrieren kann. So kann die Versorgung effizienter gestaltet werden. Dabei dürfen wir die Digitalisierung bei all den Regularien nicht verpassen, Stichwort digitale Patientenakte. Wichtige Informationen über Patientinnen und Patienten mit einem Klick zu erhalten, ist zum Beispiel gerade bei uns in der Notaufnahme von entscheidender Bedeutung.