Es schwang schon ordentlich Sehnsucht mit, als Antje Schomaker mit „Aller guten Dinge“ den diesjährigen Health-i Award musikalisch eröffnete. Sehnsucht nach Begegnung, nach Austausch – und ja, auch die Sehnsucht nach Fortschritten in Sachen Digitalisierung für das Gesundheitswesen. Nach drei Jahren Bühnen-Abstinenz war es nun endlich so weit: Geladen waren rund 150 Gäste aus Politik, Gesundheitswirtschaft und Verbänden, um die Gewinnerinnen und Gewinner des Health-i Award in der Berliner Eventlocation DEEP zu feiern.
Warum die Health-i Initiative, die seit 2016 gemeinsam vom Handelsblatt und der Techniker verliehen wird, auch im siebten Jahr ihres Bestehens nicht an Bedeutung verloren hat – Professor Jochen A. Werner, Medizinischer Direktor und CEO der Universitätsmedizin Essen und wissenschaftlicher Partner des Awards, fand deutliche Worte: Es sei ein „Desaster“, was hier in Deutschland passiere. Oder eben nicht passiert. Denn: Daten seien der nächste große Schritt in der Entwicklung der Medizin. Wir machten uns schuldig, so Werner, die Kranken nicht zu heilen, wenn wir Daten nicht besser nutzten.
Und auch TK-Chef Jens Baas geht die Digitalisierung noch zu langsam. Es sei schwierig, Daten tatsächlich für eine bestmögliche Versorgung der Menschen zu nutzen. Die Hürde heiße Datenschutz – ein Appell auch in Richtung Politik. Die war mit Digitalminister Volker Wissing (FDP) als Schirmherr der Initiative vertreten. Der Minister sieht ein „erhebliches Potential, das wir heben können und müssen“. Schließlich solle Deutschland eine Vorreiterrolle im Bereich Digital Health einnehmen…
Im Gesundheitswesen selbst klappt vieles nicht, und entsprechend haben viele Start-ups eine Lösung anzubieten.
TK-Chef Jens Baas
Menschen und ihre Ideen, die die Gesundheitsversorgung in Deutschland voranbringen – genau darum geht es beim Health-i. In drei Kategorien wurde der Award auch dieses Jahr wieder vergeben: „Junge Projekte“, „Unternehmen“ und „Startups“. Interessantes Detail: Während die Gesamtzahl der Neugründungen bei Start-ups laut einem Bericht des Deutschen Startup-Verbands rückläufig sei, sehe man bei den Neugründungen im Gesundheitsbereich ein deutliches Plus von immerhin 17 Prozent. Woran das liegt? „Im Gesundheitswesen klappt vieles nicht, und entsprechend haben viele Start-ups eine Lösung anzubieten“, erklärte TK-Chef Baas den Anstieg.
App für Endometriose-Patientinnen gewinnt Start-up-Preis
Die beste Lösung im Bereich Start-ups kam dieses Jahr aus Chemnitz: In einem Live-Pitch stellten sich die drei Finalisten der Kategorie den kritischen Fragen der Health-i Jury, bestehend aus Manouchehr Shamsrizi, Jens Baas, Charlotte Haunhorst und Michael Byczkowski, und den neugierigen Blicken des Publikums, das am Ende mit einem Zuschauer-Voting abstimmte.
Endo Health holte hier den Sieg mit dem Produkt „Endo-App“: Sie soll Endometriose-Patientinnen eine höhere Lebensqualität verschaffen und ist bereits als digitales Medizinprodukt zugelassen. Die App hilft Patientinnen mit einer Tagebuchfunktion, Übungen und Kursen aus Physiotherapie, Gynäkologie, Psychologie und Yoga- sowie der Ernährungsmedizin. Das Gesicht dazu ist Nadine Rohloff: „Es blieb das Gefühl, dass nach der Entlassung aus der Klinik noch mehr für die Patientinnen getan werden müsste.“ Aus ihrer Erfahrung als Ärztin in einer Frauenklinik hat sie gemeinsam mit ihrem Team die Endo-App entwickelt.
Ein Online-Hautcheck, unabhängig von Zeit und Ort
In der Kategorie „Unternehmen“ ist Online Doctor 24 bereits nach Juryentscheid hervorgegangen. Das Hamburger Unternehmen bietet einen Online-Hautcheck an, der nach Angaben des Geschäftsführers Philipp Wustrow 85 Prozent aller Fälle zeit- und ortsunabhängig behandeln lassen könne. Er stellte sich gemeinsam mit dem Dermatologen Max Tischler den fragen der Jury. 2016 in St. Gallen gegründet, hat Online Doctor 24 mittlerweile mehr als 100.000 Patientinnen und Patienten beraten und arbeitet mit rund 650 Dermatologen zusammen. Akut Betroffene und chronisch Erkrankte senden ein Foto der betroffenen Hautstelle auf die Plattform und beschreiben die Beschwerden einem Chatbot.
Online Doctor 24 setzte sich gegen ihre Mitbewerber Anvajo (mobiles Minilabor) und Tiplu (Software zur Optimierung von klinischen Behandlungsschritten) durch.
Katheter, das sich selbst desinfiziert
Ein Harnwegskatheter, der sich mit Hilfe von UV-C Strahlung selbst desinfiziert und damit Infektionen im Krankenhaus vorbeugt und den Einsatz von Antibiotika vermindert: Das ist die Idee von Puray, die damit den Health-i in der Kategorie „Junge Projekte“ gewannen. Die Technologie von Puray wirkt auch gegen multiresistente Keime. Das Münchener Team aus Bioingenieuren, Mechatronikern und Nanotechnologen konnte sich im Stechen gegen die Finalisten Bodytune (Audioanalyse, die den Blutfluss in der Halsschlagader kontrolliert) und Breathment (Programm, das Menschen mit Atemwegserkrankungen Atem- und Körperübungen anbietet) durchsetzen.
Und wie geht es weiter mit Puray? „Das Produkt ist zum Patent angemeldet und wir sind auf dem Weg, ein Unternehmen zu gründen“, sagte Christina Weber, die mit ihrem Kollegen Eduardo Borrero den Preis entgegennahm.
Mit über 220 Bewerbungen bewarben sich in diesem Jahr so viele Projekte und Ideen wie noch nie. Ein weiter Weg zur Digitalisierung des Gesundheitswesens ist es trotzdem noch. Wir stehen erst am Anfang, das räumte auch Minister Wissing ein. Es brauche Impulse, umdie Zukunft dafür zu gestalten. Und genau dafür steht auch die Health-i Initiative weiterhin. In diesem Sinne – um es mit den Worten von Antje Schomaker zu sagen: „Auf die Gesundheit!“
Weitere Details
Mehr Informationen zur Initiative, zu den Finalistinnen und Finalisten und natürlich auch Informationen zum Bewerbungsprozess für das kommende Jahr gibt es auf www.health-i.de
Fotos: Dominik Butzmann