Cornelia Benzing

Spannungsfeld Klimaschutz in der Radiologie

Das Gesundheitswesen ist für circa sechs Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – Klimaschutz spielt deshalb eine wichtige Rolle. Dabei geht es häufig um Senkung der CO2-Emissionen durch Gebäudesanierung oder Materialeinsparungen. Eine Medizinerin und eine Medizinphysik-Expertin werfen einen Blick auf einen Bereich, der häufig nicht im Fokus steht: die Radiologie.

Dr. rer. nat. Kerstin Jungnickel ist Medizinphysik-Expertin in Magdeburg.

Frau Dr. Jungnickel, Sie machen sich im Netzwerk Nachhaltigkeit@DRG dafür stark, die Energieeffizienz bei radiologischen Großgeräten in den Fokus zu nehmen. Welches Potenzial schlummert dort?

Das Potenzial ist groß, da wir es mit Geräten zu tun haben, die sehr viel Energie verbrauchen. Allein in Deutschland stehen 8.000 Computertomographen (CTs), Magnetresonanztomographen (MRTs) und Angiographieanlagen in Kliniken und radiologischen Praxen. Immer leistungsstärkere Geräte, die immer schneller und mit besserer Bildqualität arbeiten, werden zunehmend energieintensiver und erzeugen immer größere Datenmengen. Heute arbeiten wir statt mit Filmen und Entwicklungschemikalien mit leistungsstarken PCs und Monitoren, die in Summe ebenfalls viel Energie verbrauchen. Bei den Neuanschaffungen von radiologischen Großgeräten ist es leider nicht so einfach wie beim Kauf eines Kühlschranks, da es kein Energielabel für Medizinprodukte gibt. Natürlich ist es trotzdem möglich, die Energieeffizienz der Geräte bei einer anstehenden Neubeschaffung zu vergleichen, da die Hersteller den Energieverbrauch angeben müssen.

Welche Einsparmöglichkeiten gibt es bei Großgeräten?

Zum einen über das Nutzverhalten: Nicht nur die Rechner sollten ausgeschaltet werden, wenn sie nicht verwendet werden. Ein CT verbraucht etwa 26.000 kWh im Jahr, davon zwei Drittel im Leerlauf. Allein dieser unproduktive Wartezustand entspricht dem Energieverbrauch von sechs Vier-Personen-Haushalten im Jahr . Also: Ausschalten wann immer möglich! Aber auch die Hersteller müssen ihren Beitrag leisten, zum Beispiel einen Energiesparmodus installieren, in den das Gerät wechselt, wenn es nicht gebraucht wird und aus dem heraus es in kürzester Zeit wieder voll einsatzfähig ist. Ein MRT kann man leider nicht (ganz) abschalten, da eine ständige Heliumkühlung des Magneten erforderlich ist. Hier gibt es aber mittlerweile gute technische Lösungen wie einen „Eco-Power-Modus“, der gut zehn Prozent Energie einspart, jedoch bewusst eingeschaltet werden muss. Der Hersteller muss also über die Energiesparmöglichkeit seiner Geräte informieren und der Anwender diese aktiv einfordern. Nur so können wir insgesamt Energie, Kosten und CO2 einsparen.

Ein CT verbraucht etwa 26.000 kWh im Jahr, davon zwei Drittel im Leerlauf. Allein dieser unproduktive Wartezustand entspricht dem Energieverbrauch von sechs Vier-Personen-Haushalten im Jahr.

Dr. Kerstin Jungnickel

Radiologin Dr. med. Isabelle Redenius ist Vorsitzende des Netzwerks Nachhaltigkeit@DRG.

Frau Dr. Redenius, Radiologinnen oder andere Fachärzte sind keine Klimaexpertinnen und -experten. Braucht es dafür geschulte Nachhaltigkeitsbeauftragte?

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, in Kliniken und Radiologiepraxen Nachhaltigkeitsbeauftragte einzusetzen, die sich auf die Optimierung der Energieeffizienz von Großgeräten spezialisieren.
Zudem empfiehlt es sich, ein Nachhaltigkeitsteam zu bilden, dem nicht nur medizinisches Personal, sondern auch Beschäftigte aus den Bereichen Einkauf, Technik und Hygiene angehören, um ein vielfältiges Spektrum an Berufsgruppen mit ins Boot zu holen. Ich persönlich habe mit so einem Team gute Erfahrungen gemacht.

Außerdem ist es wichtig, auch Stakeholder für das Thema Nachhaltigkeit zu gewinnen, denn nur so können Maßnahmen in den Kliniken und Praxen durchgesetzt werden. Für die Fälle, bei denen das nicht gelingt, sind politische Vorgaben nötig. Sensibilisiert werden sollte auch schon im Studium und in der Ausbildung.

Eine einzige MRT-Untersuchung entspricht dem Verbrauch einer Klimaanlage eines großen Hauses über einen Tag, gleichzeitig werden in Krankenhäusern immer mehr CTs und MRTs durchgeführt. Sehen Sie in der elektronischen Patientenakte eine Chance, unnötige Doppeluntersuchungen zu vermeiden?

Generell wird immer gewissenhaft geprüft, ob eine Untersuchung gerechtfertigt oder schon erfolgt ist. Es gibt aber Fälle, bei denen weder die Betroffenen noch die Zuweisenden Kenntnis über bereits durchgeführte Untersuchungen haben. Daher kommt es gelegentlich unnötigerweise zu Mehrfachuntersuchungen. Die stärkere Nutzung der elektronischen Patientenakte könnte hier eine vielversprechende Lösung bieten, auch wenn dort aktuell noch keine Röntgen-, CT- oder MRT-Aufnahmen gespeichert werden können. Indem relevante medizinische Informationen digital zugänglich gemacht werden, könnten Beteiligte schneller und einfacher feststellen, welche Untersuchungen bereits durchgeführt wurden. Dies spart nicht nur Zeit, Ressourcen und Energie, sondern verbessert auch die Qualität der medizinischen Versorgung. Inwieweit sich die Anzahl der CT- und MRT-Untersuchungen insgesamt reduzieren lässt, wird gerade unter dem Begriff „Choosing Wisely“ in der radiologischen Community diskutiert. Auch dies wäre ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Weitere Informationen

Dr. rer. nat. Kerstin Jungnickel ist Medizinphysik-Expertin am Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie am Klinikum Magdeburg. 2020 hat sie mit weiteren Experten und Expertinnen das Netzwerk Nachhaltigkeit@DRG der Deutschen Röntgengesellschaft gegründet.

Dr. med. Isabelle Redenius ist Radiologin und leitet bei der Evidia MVZ Braunschweig GmbH die Kardiodiagnostik. Sie ist Vorsitzende des Netzwerks Nachhaltigkeit@DRG der Deutschen Röntgengesellschaft.



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