Die Hamburger Medizinstudentin Lilith Kuballa hat im Rahmen der TK-DocTour der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg zusammen mit sieben anderen Medizinstudierenden auf dem Weg von Stuttgart nach Göppingen mehrere Hausarztpraxen besucht, im Showroom Digitalisierung der Landesärztekammer eine elektronische Patientenakte angeschaut und sich mit der SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens (MdB) ausgetauscht. Im Interview schildert sie ihre Eindrücke.
Was nehmen Sie mit von der TK-DocTour 2024?
Von der DocTour nehme ich zum einen viele tolle neue Kontakte zu Medizinstudentinnen und -studenten aus ganz Deutschland mit und zum anderen das Gefühl der Begeisterung für den hausärztlichen Beruf, das uns ausnahmslos alle Hausärztinnen und Hausärzte während der Tour vermittelt haben. Die TK-DocTour war super abwechslungsreich organisiert und hat uns viele spannende Einblicke in die hausärztliche Versorgung geliefert. Ich würde jedem, der sich für diesen Bereich interessiert, eine Teilnahme empfehlen.
Gab es überraschende Erkenntnisse?
Die wirklich tollen und vielseitigen Fördermöglichkeiten, die Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung in der Allgemeinmedizin zur Verfügung stehen, haben mich überrascht. Für die Planung der Weiterbildung und die umfangreichen Fortbildungs- und Seminarangebote gibt es viele Anlaufstellen, wie beispielsweise das Kompetenzzentrum Weiterbildung Baden-Württemberg.
Nicht überrascht hat mich, dass es mancherorts bereits jetzt zu wenig Hausärztinnen und Hausärzte gibt – vor allem in ländlichen Regionen wird das in Zukunft noch mehr Thema sein. Zudem habe ich mich in der Vorstellung bestätigt gefühlt, dass Hausärztin bzw. Hausarzt ein wirklich erfüllender Beruf ist. Alle, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind, sind von ihrem Beruf begeistert und üben ihn mit Freude teils weit über das Rentenalter hinaus aus. Vor allem wird der langjährige und persönliche Kontakt zu den Patientinnen und Patienten geschätzt.
Sie haben Ihr Studium als Promotionsstudentin fast beendet und stehen am Anfang der Berufsausübung. Wo sehen Sie die größten Vor- und Nachteile einer Niederlassung?
Den größten Vorteil sehe ich in der freien Gestaltungsmöglichkeit, die einem die Niederlassung und die damit verbundene Selbstständigkeit bieten. Gleichzeitig beinhaltet sie ein höheres Maß an Verantwortung unter anderem für das Personal, die Sicherstellung der Patientenversorgung und das finanzielle Risiko. Auch im Gespräch mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen während der TK-DocTour wurde immer wieder betont: Man ist gleichzeitig auch Unternehmerin und Unternehmer. Ob man dies als Vor- oder Nachteil bewertet, ist sehr individuell. Ich persönlich finde diese Kombination sehr spannend.
Wie bewerten Sie den Stellenwert der Allgemeinmedizin an der Universität Hamburg im Vergleich zu anderen Fächern?
Die Allgemeinmedizin hat an der Universität Hamburg einen hohen Stellenwert. Das Institut für Allgemeinmedizin ist aus meiner Sicht sehr engagiert in der Lehre. Ich denke im Vergleich zu anderen Fächern liegt das Problem eher darin, dass das Image der Allgemeinmedizin für viele Medizinstudierende nicht besonders attraktiv ist. Hier könnte eine noch stärkere Förderung der Allgemeinmedizin in Forschung und Lehre dazu beitragen, das Bewusstsein für ihre zentrale Rolle im Gesundheitssystem weiter zu stärken.
Welche Anregungen möchten Sie der Gesundheitspolitik, den Krankenkassen und den Ärzteverbänden mit auf den Weg geben?
Ich fände es wichtig einen stärkeren Fokus auf die Prävention zu richten. Prävention ist wichtig, um Krankheiten und Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Dadurch können Krankenhausaufenthalte reduziert und die Gesundheitskosten gesenkt werden. Präventive Maßnahmen stärken auch die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für ihre Gesundheit und führen langfristig zu einem nachhaltigeren Gesundheitssystem.
Zudem sollte die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden. Auf der DocTour haben wir im Rahmen eines Besuchs im Showroom Digitalisierung der Landesärztekammer Baden-Württemberg gesehen, was mit Künstlicher Intelligenz bereits möglich wäre. Um es bis in die tägliche Anwendung in der Praxis zu schaffen, braucht es weitere Unterstützung und Förderung.
Ein weiteres Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Förderung der tierversuchsfreien Forschung in der Medizin. Ich würde mir wünschen, dass von politischer Seite die Forschung zu Alternativen von Tierversuchen, zum Beispiel mittels Organoiden (also im Labor gezüchteten Zellen), stärker gefördert wird und die Durchführung von Tierversuchen in der Forschung deutlich reduziert und kritischer hinterfragt wird.