Die Idee zu ihrem Start-up „neolexon“ kam Mona Späth und Hanna Jakob 2014 im gemeinsamen Urlaub am Strand von Sizilien. Die beiden Sprachtherapeutinnen ärgerten sich darüber, dass die wenigen Apps, die es damals zur Behandlung von Sprachstörungen auf dem Markt gab, so unflexibel waren. Die Wörterlisten waren für alle Patienten gleich und ihnen fehlte die Möglichkeit, individuelle Sets je nach Alter und Lebensumständen zusammenzustellen. Das kann man besser machen, waren die beiden überzeugt.
Aus der fixen Idee aus dem Sommerurlaub ist drei Jahre später eine Tablet-App zur Therapie von Sprachstörungen infolge von Hirnverletzungen entstanden. „Viele unserer Patienten müssen das Sprechen ganz neu lernen. Deshalb ist es wichtig, dass sie in der Therapie Wörter üben, die sie auch in ihrem Alltag brauchen“, erklärt Mona Späth. neolexon ist eine Plattformlösung mit zwei wesentlichen Funktionen: Einerseits dient sie Therapeuten zur Erstellung der Übungsprogramme und andererseits kann der Patient eigenständig zuhause trainieren. Per Code gibt der Therapeut die individuellen Übungsaufgaben für den Patienten frei.
Von A wie Aal bis Z wie Zypresse
„Der Vorteil unserer App ist, dass Therapeuten für jeden Patienten individuelle Wörtersets zusammenstellen können. Bislang gab es nur Programme mit starrem Übungsmaterial oder eben die herkömmlichen analogen Wort- und Bildkarten“, erklärt Späth. Mehr als 6.000 Begriffe stehen derzeit in der neolexon-Datenbank zur Auswahl – von A wie Aal bis Z wie Zypresse. Jedes Wort ist mit einem Foto bebildert. Zusätzlich gibt es zu jedem Begriff ein Video, in dem das Wort klar und deutlich von einem Sprecher vorgesprochen wird.
Stolpersteine und Gegenwind erfolgreich überstanden
Seit Start der App im Januar dieses Jahres haben bereits mehrere Tausend Nutzer neolexon heruntergeladen. Bis es so weit war brauchten Späth und Jakob jedoch einen langen Atem. Als sie ihre Idee 2014 im Gründerbüro der Universität München vorstellten, wurde das Projekt zunächst kritisch beäugt. Wer schreibt den Businessplan? Wie sollte die Finanzierung aussehen? Wer programmiert das Ganze? Die beiden Therapeutinnen ließen sich vom Gegenwind des Gründungsberaters jedoch nicht abhalten und hielten an ihrer Idee fest: „Wir waren überzeugt, dass wir mit unserer App eine Lücke in der Versorgung von Aphasie-Patienten schließen können“, sagt Gründerin Hanna Jakob. „Derzeit bekommen neurologische Patienten oft nur eine Stunde Sprachtherapie pro Woche, obwohl fünf bis zehn Stunden für eine optimale Rehabilitation nötig wären. Mit unserer App können Patienten eigenständig zuhause weiter üben und ihre Fortschritte selbst verfolgen.“
Als Sprachtherapeutinnen hatten die neolexon-Gründerinnen das fachliche Know How und eine klare Vorstellung, welche Funktionen ihre App haben muss. Jakob erzählt schmunzelnd von den Anfängen ihres Start-ups.
„Das unternehmerische Wissen mussten wir uns nach und nach aneignen. Wir haben gegoogelt, wie ein Businessplan aussieht“
Hanna Jakob
Es sei nicht einfach gewesen, eine Finanzierung für die App zu erhalten. Der finanzielle Durchbruch kam durch die Zusage eines staatlichen Förderprogramms. Mit der Finanzspritze des EXIST-Programms konnten sie ihr Projekt als Spin-off des Instituts für Phonetik und Sprachverarbeitung der Universität München gründen.
Jetzt sitzt das Team in einem Büro an der Universität. Für die Programmierung der App haben sich die beiden zwei IT-ler ins Boot geholt. Sechs bis acht studentische Hilfskräfte unterstützen das vierköpfige Kernteam außerdem bei der Erstellung der Wortdatenbank. „Wir haben jeden Begriff einzeln bebildert, eingesprochen und ins System eingepflegt. Allein die Aufnahme und Bearbeitung der Sprachvideos dauerte mehrere Wochen“ erzählt Jakob.
Ohne Umwege von der Wissenschaft in die Praxis
Die räumliche Nähe zur Uni ermöglicht den direkten Transfer von Wissenschaft in die Praxis. „Wir haben unter anderem in der Forschung herausgefunden, dass Wörter, die auf der letzten Silbe betont werden, besonders schwer zu produzieren sind – wie z.B. Fabrik, Gehirn oder Pedal“, erklärt Jakob. Solche Erkenntnisse des Instituts fließen in die Funktionen der App ein. So gibt es bei neolexon eine Filterfunktion, die es möglich macht Wörter nach Eigenschaften wie Silbenzahl, Konsonantenzahl oder Betonung zu filtern. So können Therapeuten schnell und gezielt Begriffe mit dem passenden Schwierigkeitsgrad je nach Therapiefortschritt zusammenstellen.
Das Ziel von Späth und Jakob ist es, im Rahmen des TK-Accelerators ihre App auch für andere Störungsbilder und neue Patientengruppen zu erweitern. In der gemeinsamen Planung ist eine Lösung für Kinder, die spielerisch bei der Therapie von Artikulationsstörungen eingesetzt werden kann.
Im Video: „neolexon“ stellt sich vor.
https://youtu.be/Y6Z60zNvbIc?list=PLzH5rv1q5z_7L5hLnLZ2FVy_H_Vt7xYWY