Prof. Dr. Volker Möws

Countdown #GKVFKG: Manipulationsresistenz im Fokus

Klingt wie ein Thema für Feinschmecker im politischen Gesundheitswesen: die Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Umso brisanter ist, was nun damit passiert. Zwei Experten nehmen Stellung.

Die anstehende Reform des Finanzausgleichs der Kassen ist spätestens seit April 2019 im Gesundheitswesen „Talk of the town“: Vor allem die Diskussion um eine mögliche bundesweite Öffnung der AOKen und die dadurch ermöglichte einheitliche Aufsicht prägen bislang die Debatte. Nun beginnt der Countdown zum im September erwarteten Kabinettsentwurf des GKV-FKG, im Politiksprech auch „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ genannt. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, sich wieder auf die eigentliche Zielsetzung der Reform zu fokussieren: Fairness im Wettbewerb und endlich wirksame Maßnahmen gegen Manipulationen im Morbi-RSA.

„Vollmodell macht System komplexer und intransparenter“

Die Frage der Manipulationsresistenz treibt nicht nur uns Kassen um, sondern auch die Wissenschaft. Mit Prof. Dr. Reinhard Busse (TU Berlin) und Prof. Dr. Amelie Wuppermann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) haben wir zwei renommierte Experten in diesem Bereich um ihre aktuelle Einschätzung zur Reform des Morbi-RSA gebeten. Der im März 2019 veröffentlichte Referentenentwurf sieht neben der einheitlichen Aufsicht auch ein „Vollmodell“ vor, über das künftig alle Krankheiten für den RSA-relevant werden.

Im Kabinettsentwurf müssen die wesentlichen Punkte des Referentenentwurfs erhalten bleiben.

Prof. Dr. Amelie Wuppermann

Eines der Forschungsergebnisse von Prof. Amelie Wuppermann: Seit Einführung des Morbi-RSA gab es auffällige Veränderungen bei dokumentierten Diagnosen.

„Das Vollmodell berücksichtigt alle Krankheiten, also auch solche, von denen wir wissen oder befürchten müssen, dass sie in Hinsicht auf Manipulation problematisch sind. Der Kodieranreiz wird also zunächst einmal ausgeweitet. Dem stellt der Entwurf ein immenses Regelwerk entgegen, das die zu erwartenden Manipulationen wieder eindämmen soll. Dadurch wird das System natürlich viel komplexer und intransparenter“, so Prof. Dr. Reinhard Busse.

Während Prof. Busse große Risiken darin sieht, einen künftigen Finanzausgleich auf Basis eines Vollmodells zu stellen, hält Prof. Wuppermann das Vollmodell für eine sinnvolle und notwendige Weiterentwicklung, die den RSA genauer und damit fairer machen wird. Zusätzlich erkennt sie im Referentenentwurf sinnvolle Ansätze für künftige Manipulationsabwehr: „Im Referentenentwurf finden sich viele sinnvolle Mittel, um Manipulationen zu verhindern, dazu gehört beispielsweise die Manipulationsbremse. Im Kabinettsentwurf müssen die wesentlichen Punkte des Referentenentwurfs erhalten bleiben.“

Wir teilen Skepsis gegenüber einem Vollmodell

Bei der TK teilen wir die von Busse geäußerte grundsätzliche Skepsis gegenüber einem Vollmodell: Aus Sicht der TK wirkt ein ungebremstes Vollmodell wie ein Katalysator für die heute schon bestehenden Probleme im Risikostrukturausgleich. Kommt es aber zum Vollmodell, so sind eine – oder besser mehrere – funktionierende Manipulationsbremse(n) absolut unabdingbar.

Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen eignen sich dafür gut – aber nur als Gesamtpaket, wie auch Prof. Wuppermann konstatiert. Dafür muss der Kabinettsentwurf klare Prioritäten bei der Manipulationsresistenz und der Fairness im Wettbewerb setzen und darf die im Referentenentwurf formulierten Prinzipien nicht aufweichen. Der Schlüssel dafür ist eine einheitliche Aufsicht.



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