Laut Neurodermitisreport von UKE, Uni Bremen und der TK sind unter 15-Jährige am stärksten betroffen. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag?
Ja, in der Tat begegne ich in meinem Arbeitsalltag mehr Kindern mit Neurodermitis, also dem so genannten atopischen Ekzem, als Erwachsenen. Das deckt sich auch mit Statistiken aus den Industrieländern, wonach 10 bis 20 Prozent aller Kinder betroffen sind. Die gute Nachricht ist aber: Man muss sich bei dieser Diagnose nicht gleich fürchten, denn die Symptome schwächen sich häufig ab. Man sollte die Neurodermitis als eine Veranlagung sehen, die nicht immer zu einer chronischen Krankheit werden muss. Klar, Betroffene sollten gut auf ihre Haut aufpassen und den Körper bestmöglich unterstützen, damit keine schwerwiegenden Entzündungen entstehen. Als Ärztin finde ich es aber ganz wichtig, dass man nicht immer gleich das Schlimmste annimmt und prognostiziert. Gerade Eltern haben bei einer Diagnose oft wahnsinnige Angst, weil sie die schweren Verläufe vor Augen haben und ratlos sind, was sie tun können. Besonders dann ist es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, zu informieren und aufzuklären, damit sie die Praxis wieder optimistisch verlassen können.
Welche weiteren Faktoren können die Neurodermitis neben einer erblichen Veranlagung fördern?
Wenn man die vorhandene Störung der Hautbarriere weiter schwächt. Zu viel Hygiene ist ein Trigger. Man sagt ja immer, man solle sich als Schwangere am besten auf einem Bauernhof aufhalten. Das ist tatsächlich gut für das Immunsystem. Also, nicht zu viel reinigen und desinfizieren. Auch Allergien, wie Hausstaub- oder aber auch Kontaktallergien, reizen die Haut zusätzlich von innen und außen. Wichtig ist zudem, innere Infektionsherde auszuschließen. Denn bei der Bekämpfung der Erreger verwechselt der Körper diese oft mit der Haut, was Hautentzündungen wiederum fördert. Außerdem wirkt eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen, wie Vitamin D, Zink und Omega-3-Fettsäuren der Hautentzündung entgegen. Lösliche Ballaststoffe sowie probiotische Nahrungsmittel sorgen für eine gesunde und abwehrstarke Darm- und Hautflora. Und zu guter Letzt sind es Faktoren wie Klima, Stress, Schadstoffe oder berufliche Belastungen, die das atopische Ekzem verstärken können.
Kann man Neurodermitis vorbeugen?
Generell gilt: Meiden Sie Triggerfaktoren! Und kümmern Sie sich auch um Ihre seelische Gesundheit. Denn die Psyche hat einen großen Einfluss auf alle Hauterkrankungen, so eben auch auf das atopische Ekzem. Außerdem ist es enorm wichtig, die Hautbarriere zu stärken. Besonders hilfreich finde ich die Derma-Membran-Struktur-Technologie, also entsprechende Cremes, die der Hautstruktur ähneln. Bei der Reinigung sollte darüber hinaus darauf geachtet werden, dass man nur Hände oder schwitzige Stellen bei Bedarf mit einer Waschsubstanz reinigt, die nicht zu stark entfettet. Auch mit der richtigen Ernährung lässt sich vieles beeinflussen. Weil unsere Türsteherbakterien im Darm und auf der Haut bei atopischem Ekzem gestärkt werden sollten, wird neben der Darm-Mikrobiomforschung gerade auch an prä- und probiotischen Cremes geforscht – also an gesunden Bakterien für die Haut oder Wirkstoffen, die Schutz-Bakterien stimulieren. Das sehe ich als eine sehr positive Entwicklung. Dann gibt es natürlich noch Medikamente, die helfen, Schübe abzuschwächen. Bei häufigen und starken Schüben empfiehlt sich außerdem eine Intervallprophylaxe, um deren Stärke zu reduzieren oder weitere Schübe hinauszuzögern.
Warum verschwinden bei einigen Menschen die Symptome?
Das kann man nur vermuten: Zum einen ist das Immunsystem mit seinen vielen kleinen Bestandteilen noch gar nicht komplett verstanden, das heißt, wir wissen nicht bis ins letzte Detail, wie es funktioniert. Zum anderen kommen beim atopischen Ekzem viele Faktoren zusammen. Es handelt sich also um ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen mit unterschiedlichster und sehr kleinteiliger Aktivität im Immunsystem. Und so ein Immunsystem reift und verändert sich ja auch. Am Anfang steht so vielleicht eine übermäßige Aktivität, die sich dann im Laufe des Lebens abschwächt.