Wir lassen in einer Interviewreihe medizinische Berufsgruppen zu ihren Erfahrungen mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu Wort kommen. Heute: die Frankfurter Allgemeinärztin Dr. Manuela Kerger zur Online-Sprechstunde.
Wie wird die Videosprechstunde in Ihrer Praxis nachgefragt?
Das Format gibt es seit März 2020 zweimal die Woche, und die Nachfrage steigt stetig. Pro Tag bieten wir ca. vier bis fünf Online-Sprechstunden an und haben somit im Schnitt acht bis zehn Patientinnen und Patienten pro Woche.
Mit welchen Beschwerden wenden sich Ihre Patientinnen und Patienten auf diesem Weg an Sie?
Im Moment beraten wir viele Menschen, die Fragen zur Corona-Impfung haben. Meist geht es darum zu klären, welcher Impfstoff für sie infrage kommt oder welcher Priorisierungsgruppe sie angehören. Aber auch Befunde sind häufig Thema, wie zum Beispiel Laborergebnisse oder Blutdruckwerte. Die Beratung hierfür läuft meist schnell und unkompliziert.
Leider häuft sich seit Beginn der Pandemie die Anzahl der Patientinnen und Patienten, die uns aufgrund zunehmender psychischer Belastungen kontaktieren, beispielsweise wegen eines Angstsyndroms oder Burnouts. Vor allem junge Frauen haben mit diesen Problemen zu kämpfen. Am Anfang helfen regelmäßige Gespräche etwa über die Ursache und die Identifikation von Ressourcen, die für die Betroffenen eine Kraftquelle sein können. Zu Beginn läuft die Online-Begleitung dieser Patientinnen und Patienten gut, da sie sich im gewohnten Umfeld wohler fühlen, und sich, meiner Meinung nach, somit besser auf das Gespräch einlassen können. Jedoch fehlt natürlich bei diesen Gesprächen irgendwann der persönliche Kontakt, der in dieser Situation sehr wichtig ist, um eine gute Arzt-Patienten-Beziehung aufzubauen. Wenn ich im Verlauf der Behandlung merke, dass eine ausgeprägte Störung vorliegt, hilft natürlich nur die Überweisung zum Spezialisten oder gegebenenfalls der Beginn einer medikamentösen Therapie.
Im Vergleich zum Termin vor Ort läuft die Videosprechstunde deutlich zeitsparender ab und ermöglicht eine gewisse Flexibilität.
Wie klappt es mit der Technik?
Zum Glück lässt sich das System der Videosprechstunde recht einfach und intuitiv bedienen. Der größte Teil unserer Nutzerinnen und Nutzer ist ca. zwischen 30 und 50 Jahre jung, hier bestehen meist keine Probleme.
Ursprünglich wollten wir aber insbesondere unsere älteren Patientinnen und Patienten mit dem Angebot schützen und unterstützen. Aber gerade die älteren Generationen, das müssen wir leider sagen, besitzen häufig nicht die Technik oder haben Schwierigkeiten, damit umzugehen. Daher nutzen ausgerechnet sie das Angebot kaum.
Welches Feedback erhalten Sie von Ihren Patientinnen und Patienten?
Alle sind begeistert. Denn im Vergleich zum Termin vor Ort läuft die Videosprechstunde deutlich zeitsparender ab und ermöglicht eine gewisse Flexibilität.
Werden Sie die Videosprechstunde auch nach der Pandemie anbieten?
Ich bin der Meinung, dass die Videosprechstunde auch nach der Pandemie für die Patientinnen und Patienten Vorteile bietet und dass sie in Zukunft eine gute Alternative sein wird, um in diesem Rahmen Befunde und Probleme zu besprechen. Natürlich wird sie nie den wichtigen persönlichen Arzt-Patient-Kontakt ersetzen können. Die meisten Krankheitsbilder benötigen eine körperliche Untersuchung, die digital nicht ersetzbar ist. Bei allen Arten von Schmerzen, wie zum Beispiel Bauchschmerzen oder Schmerzen nach einem Trauma, sind zudem Online-Sprechstunden nicht geeignet. Sie sind aber eine gute zusätzliche Serviceleistung, die wir unseren Patientinnen und Patienten weiterhin anbieten werden.