Johanna Küther

#MedicaEconForum 2022: Traditionen und neue Blickwinkel

Vier Tage drehte sich bei der weltgrößten Gesundheitsmesse Medica alles um die aktuellen Herausforderungen der Gesundheitspolitik. Ein Fazit: Wieder vor Ort zu sein ist nicht nur persönlich schön, es bereichert auch die Diskussionen.

Nach zwei Jahren Pandemie fand die Medica dieses Jahr wieder in Präsenz in den altbekannten Hallen der Messe Düsseldorf statt. Alles wie früher? Nicht ganz, denn Pandemie, Preissteigerungen und Nachhaltigkeitsaspekte haben sich deutlich auf das Messegeschäft ausgewirkt. Von einer Medica light zu sprechen wäre aber stark übertrieben, denn das Who’s who der Gesundheitsbranche war dennoch vor Ort. Und mit den  – insbesondere von Moderator Jürgen Zurheide heiß geliebten – Nussecken am Rande des MedicaEconForums kehrte eine weitere Konstante zurück.

Auf dem Panel vertreten: Prof. J. Werner, J. Zurheide, T. Ballast, I. Morell und Dr. S. Wibbeling (v.l.).

Zeit für Nachhaltigkeit

Während beide bereits zur Tradition gehören, stand das Thema Nachhaltigkeit zum ersten Mal auf der Agenda. Ein Thema, das insbesondere dem stellvertretenden TK-Vorstandsvorsitzenden Thomas Ballast am Herzen liegt. „Im Gesundheitssystem werden fünf Prozent aller CO2-Emissionen verursacht, mehr als in der Luftfahrtbranche. Da müssen wir ran“, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der TK. Wie Nachhaltigkeit in Arztpraxen und Krankenhäusern aussehen kann, diskutierte er aus der wissenschaftlichen Perspektive mit Prof. Joachim Szecsenyi (aQua-Institut) und dem Logistikexperten Dr. Sebastian Wibbeling (Fraunhofer Institut). Aus der Praxis berichteten Ingo Morell (Deutsche Krankenhausgesellschaft, DKG) und Prof. Jochen Werner, der mit seinem smart und mittlerweile auch green hospital, der Universitätsklinik Essen, schon vor Jahren den Weg einer konsequenten Digitalisierung seines Krankenhauses eingeschlagen hatte.

Elf Jahre MedicaEconForum by TK

Mittlerweile etabliert, aber keineswegs langweilig! Besonders aktuell: Noch vor zwei Wochen hatte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KV-WL) verkündet, als Pilotregion aus dem Projekt E-Rezept auszusteigen. Bei der Medica verteidigte Thomas Müller das Vorgehen mit den Worten „Ohne digitale Lösung auch keine Beteiligung von uns“. Hintergrund waren Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftragten bei der Nutzung der eGK. Worin sich alle Beteiligten einig waren: Es muss einen digitalen Weg des E-Rezepts geben, um langfristig die Fernentgegennahme der Rezepte zu ermöglichen. Über die genaue Ausgestaltung wurde hingegen diskutiert. Daniel Cardinal, Leiter des Bereichs Innovation und ambulante Versorgung bei der TK, warnte, „eine App, die einzig und allein zum Einlösen eines Rezepts ist, ist ein Anachronismus“. Er betonte, dass für eine breite Akzeptanz der gesamte Prozess viel stärker vom Kunden aus gedacht werden müsse.

Dauerbrenner Digitalisierung – und Datenschutz

Seit jeher ein Thema bei der Medica: die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Und von hier ist der Weg nicht weit – aktuelles Beispiel das eben genannte E-Rezept – zum Datenschutz. Vielfach bemüht wurde das Beispiel des rechtlich sicheren Briefes, während digitale Lösungen in Deutschland eine 100-prozentige Datensicherheit gewährleisten müssten. Dass dies weder europäische – und damit ebenfalls der DSGVO unterliegende – Länder so handhaben würden, noch, dass es technisch machbar sei, darin waren sich Thomas Ballast, Prof. Ferdinand Gerlach (Goethe-Universität Frankfurt), Bundestagsabgeordneter Dr. Georg Kippels und Dr. Gottfried Ludewig (T-Systems Health Industry) einig. Letzterer betonte: „Wir müssen den Versicherten mehr zutrauen. Ich darf Auto fahren, ich darf wählen, aber ich darf nicht entscheiden, wie ich Daten, die mir gehören, verwalten möchte.“ Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken spitzte es ebenfalls zu: Bei 100-prozentiger Datensicherheit „kommen wir zu Anwendungen, die keiner mehr bedienen möchte, weil er vor lauter PINs und PUKs einen Hürdenlauf bestreiten muss.“

Fragen der Finanzierung

Das kürzlich beschlossene Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) sieht auch eine Weiterentwicklung der Preisbildung von Arzneimitteln vor. Im Spannungsfeld zwischen Sozial- und Wirtschaftspolitik, in Form von Versorgungssicherheit und Standortabwanderung, wurde teils kontrovers diskutiert. Tim Steimle, Leiter des TK-Arzneimittelbereichs, forderte mit Blick auf die Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbreich mehr Transparenz: „Wir müssen verstehen können, wie hoch Entwicklungskosten und Gewinne sind, wenn wir Versichertengelder einsetzen.“ Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Finanzlage zur Sprache kam. Stefanie Stoff-Ahnis vom GKV-Spitzenverband betonte, wie wichtig gerade vor diesem Hintergrund die Ambulantisierung sei. Über die Ausgestaltung wurde zwischen Dr. Gerald Gaß (DKG), Dr. Dirk Spelmeyer (KV-WL) und Prof. Wolfgang Greiner (Universität Bielefeld) lebhaft gestritten. Sicherlich ein guter Anknüpfungspunkt für das MedicaEconForum 2023, schließlich hat sich die Bundesregierung das Motto „ambulant vor stationär“ in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir sind gespannt und freuen uns auf ein Wiedersehen!



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1 Kommentar

  • Harald Netz

    Eine sehr gelungene Zusammenfassung der Diskussionsrunden mit TK-Beteiligung und dazu noch eine Kurzfassung der TK-Positionen: Mehr geht in einem Blogbeitrag nicht 🙂