Jessica Kneißler

DepressionsCoach: „Für manche schriftlich leichter, sich zu öffnen“

Depressive Erkrankungen sind häufig – doch nur selten werden sie angemessen behandelt. Seit mittlerweile fast zehn Jahren gibt es das Angebot einer Online-Beratung über den DepressionsCoach der TK. Wie das funktioniert? Ein Interview mit der Therapeutin Dr. Jennifer Mumm.

Hinweis

Bitte beachten Sie: Das Angebot ist mittlerweile ausgelaufen. Mehr Informationen zu Alternativen finden Sie hier.

 

Etwa 20 Prozent der Menschen leiden einmal in ihrem Leben an einer depressiven Episode. Oft sind die Hürden hoch, sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen – und vor allem sich die Zeit zu nehmen, einen Therapieplatz zu suchen. Viele Betroffene leiden dadurch länger als notwendig unter ihren Symptomen.

Für depressiv belastete Menschen hat die TK 2013 in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin den DepressionsCoach entwickelt. Seitdem haben mehr als 5500 TK-Versicherte das Angebot genutzt. Eine Befragung ergab, dass 89 Prozent der Teilnehmenden mit dem Angebot zufrieden sind und eine deutliche Verbesserung der Beschwerden erzielt werden konnte. Die Berliner Psychologische Psychotherapeutin Dr. Jennifer Mumm schildert uns ihre Erfahrungen.

Mit welchen Problemen werden Sie am häufigsten konfrontiert?

Ich habe in der Pandemie-Zeit angefangen, da waren viele Teilnehmende von Einsamkeit und Isolation durch die Lockdowns betroffen. Das ist mittlerweile wieder etwas weniger geworden. Auch Beziehungskonflikte jeglicher Art sowie Trennungen sind nicht selten Auslöser für depressive Beschwerden. Trauer oder Erkrankungen, entweder eigene oder von Nahestehenden, Überforderung im Job, im Studium oder der Ausbildung kommen oft vor. Aktuell sind auch Zukunftssorgen, der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sowie finanzielle Nöte ein großes Thema.

Wie sieht denn genau der Prozess der Online-Beratung nach den Erstgesprächen aus?

Zunächst gibt es Online-Fragebögen, die die Betroffenen ausfüllen. Im nächsten Schritt führen wir das besagte persönliche Gespräch am Telefon, um den jeweiligen Fall besser einschätzen zu können. Dieses dauert im Schnitt etwa 30 Minuten. Das Programm selbst dauert insgesamt etwa sechs Wochen. Mithilfe strukturierter Module sowie anhand von Schreibaufgaben und persönlichen schriftlichen Rückmeldungen durch uns Therapeutinnen und Therapeuten sollen Betroffene lernen, mit ihrer Depression umzugehen und einen „Weg hinaus“ zu finden. Wir haben auf der persönlichen Ebene vor allem Schreibkontakt, den viele Menschen als große Unterstützung erleben. Die individuelle Betreuung ist dabei sicherlich entscheidend – den TK-DepressionsCoach zeichnet aus, dass alle Beratenden approbierte Psychotherapeutinnen oder -therapeuten sind. So können wir für alle Teilnehmenden eine hohe Beratungsqualität gewährleisten.

Die Berliner Psychologische Psychotherapeutin Dr. Jennifer Mumm berät Hilfesuchende im Online-Programm des TK-DepressionsCoaches.

Frau Dr. Mumm, Sie haben eine Praxis in Berlin und sind zudem seit 2020 auch eine der Therapeut:innen des TK-DepressionsCoaches. Wer meldet sich dort bei Ihnen?

Ich führe pro Woche etwa drei bis vier telefonische Erstgespräche. Von jungen Erwachsenen – man muss für die Teilnahme mindestens 18 Jahre alt sein – bis zu Menschen in Rente ist alles dabei. Auch die persönlichen und beruflichen Hintergründe sind sehr divers. Viele unserer Teilnehmenden haben dabei eine ‚klinisch relevante‘ Depression, wie wir es fachsprachlich nennen. Der DepressionsCoach richtet sich aber auch an Menschen, die leichte depressive Beschwerden haben. Wenn man den Eindruck hat, es aus eigener Kraft nicht mehr aus einem Tief herauszuschaffen, kann der DepressionsCoach genau da ansetzen.

Was können die Menschen von der Online-Beratung erwarten?

Die Teilnehmenden erwartet ein psychotherapeutisch angeleiteter Prozess, bei dem sie wissenschaftlich fundiertes Wissen über depressive Erkrankungen erhalten. Studien zeigen, dass die meisten Teilnehmenden im Rahmen einer Online-Therapie spürbare Verbesserungen ihrer Beschwerden erzielen können. Online-Ansätze sind jedoch nicht für jeden Fall das Richtige. Wenn zum Beispiel akute Krisen und Notfälle vorliegen, ist die Online-Beratung nicht geeignet – dafür hat man in einer psychotherapeutischen Praxis von Angesicht zu Angesicht andere Möglichkeiten der Intervention. Für die meisten Menschen ist das Angebot allerdings sehr hilfreich, eben weil es zeitlich und örtlich flexibel und sofort verfügbar ist. Manchen fällt es im schriftlichen Kontakt sogar leichter, sich zu öffnen. Das ist aber auch Geschmackssache.

Manchen fällt es im schriftlichen Kontakt sogar leichter, sich zu öffnen. Das ist aber auch Geschmackssache.

Wie sieht die Unterstützung konkret aus, die Betroffene über den DepressionsCoach bekommen?

Die Teilnehmenden bekommen von uns konkrete Strategien an die Hand, mit denen sie sich auch über die Dauer der Beratung hinaus selbst helfen können. Sie lernen ihre depressiven Symptome und deren Auswirkungen besser zu erkennen und zu begreifen. Ein Aspekt ist, Grübeln und negative Denkweisen zu überprüfen und andere Blickwinkel zu finden, um die Stimmung zu stabilisieren. Vor allem lernen die Teilnehmenden, wie sie ihre Beschwerden im Alltag lindern können. Dazu gehört, ihrem Tag eine Struktur zu geben und sich bewusst und regelmäßig einen Ausgleich im Alltag zu verschaffen. Sport, Freunde treffen, in die Natur gehen – was einem eben individuell guttut. Ein Modul zur Rückfallprophylaxe hilft, die Erkenntnisse aus der Arbeit mit dem DepressionsCoach auch längerfristig im Leben zu verankern. Der TK-DepressionsCoach legt dabei viel Wert darauf, dass die Teilnehmenden selbst aktiv werden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass sie es „selbst anpacken“ – mit unserer Unterstützung.

Was waren Ihre Beweggründe, als Therapeutin beim DepressionsCoach mit einzusteigen?

Ich habe während der Corona-Pandemie schon erste Erfahrungen mit Online-Therapie in meiner Praxis gemacht. Das hat sehr gut funktioniert. Für mich war es etwas ganz Neues, ich fand das Konzept sehr spannend als ich in einer Stellenausschreibung auf den DepressionsCoach gestoßen bin. Ich finde gut, dass dieser nicht nur für Menschen ist, die schon eine manifeste Depression haben. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, über das man sehr schnell Hilfe bekommen kann und bei dem viele Menschen betreut werden können.

Weitere Informationen

Weitere Informationen über den TK-Depressions-Coach und die Ergebnisse der Studie finden Sie auf unserer Themenseite im Portal Presse & Politik. Das Angebot ist mittlerweile ausgelaufen.



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3 Kommentare

  • Sebastian Haubold

    Die Überschrift ist grammatikalisch nicht richtig.
    „Für manche schriftlich leichter, sich zu öffnen“
    Richtig müsste es heißen:
    „Für manche ist es schriftlich leichter, sich zu öffnen.“
    Mit freundlichen Grüßen

  • M

    Der Link zum Online DepressionsCoach funktioniert nicht

    • Redaktion

      Hallo! Vielen Dank für den Hinweis. Das Angebot ist mittlerweile ausgelaufen, hier finden Sie ähnliche Angebote.