Cornelia Benzing

Ein Roboter im Klassenzimmer

Dank Avatar können auch kranke Kinder virtuell die Schulbank drücken: Das norwegische Startup „No Isolation“ ermöglicht ihnen, aus der Distanz am Unterricht teilzunehmen und zu interagieren. Die TK unterstützt das Projekt.

Als Priska Gerster im vergangenen Jahr die Schule wechselte, lernte sie ihre Mitschüler und Mitschülerinnen zunächst nicht persönlich kennen. Anstelle von Priska hielt ein kleiner weißer Roboter an ihrem Platz die Stellung, war Auge, Stimme und Ohr für die 17-Jährige. Denn noch vor dem Schulwechsel war bei Priska Morbus Hodgkins – eine Form von Lymphdrüsenkrebs – diagnostiziert worden.

Lehrerin Gundula Weckenmann ist vom Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz zur schulischen Betreuung schwer kranker Kinder an die Mainzer Uniklinik abgeordnet.

Lehrerin Gundula Weckenmann, die vom Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz zur schulischen Betreuung schwer kranker Kinder an das Klinikum abgeordnet ist, setzte sich schon kurz nach Priskas Ankunft in der Mainzer Uniklinik mit ihr in Verbindung. Weckenmann stellte der Schülerin den Avatar des norwegischen Start-ups „No Isolation“ vor.

Etwa 30 Zentimeter misst er, hat zwei Leuchtpunkte als Augen und anstelle eines Mundes einen integrierten Lautsprecher. Der kleine Roboter kann von dem erkrankten Kind oder Jugendlichen über ein Tablet oder Smartphone gesteuert werden. Mithilfe der eingebauten Kamera und des Mikrofons wird der Unterricht per Livestream übertragen.

Kleiner Stellvertreter im Klassenzimmer: Über den Avatar ist direkte Kommunikation möglich

Für Priska war der Avatar über Wochen der direkte Kontakt zur (schulischen) Welt, während sie in der Klinik oder zu Hause isoliert war. „Meine Mitschülerinnen und Mitschüler haben ihn von einem Klassenraum zum nächsten und auch in die Pause mitgenommen“, erzählt Priska, die mittlerweile dank erfolgreicher Behandlung wieder zur Schule gehen kann. „Sie haben ihn ‚Priska 2‘ genannt“, sagt sie lächelnd.

Schülerin Priska und Gundula Weckenmann

Die Schule bietet Kindern und Jugendlichen neben Bildung auch ein soziales Umfeld, in dem sie mit Gleichaltrigen agieren können. Wie wichtig dies ist, wird häufig erst deutlich, wenn ein Schulbesuch nicht möglich ist. Die Gründe dafür können vielfältig sein: chronische Erkrankungen, Langzeiterkrankungen wie Krebs, psychische Probleme oder wiederkehrende Behandlungen. Zur gesundheitlichen Belastung kommt dann noch die soziale Isolation.

„Wenn Schulkinder und Jugendliche langwierig erkranken, leiden sie besonders darunter, dass sie nicht in die Schule gehen können und den Kontakt zu Gleichaltrigen verlieren. Das hat nicht nur großen Einfluss auf die Lernfähigkeit, sondern auch auf die Psyche“, sagt Gundula Weckenmann.

Da der Avatar um 360 Grad drehbar ist, konnte Priska selbst bestimmen, ob sie gerade auf die Tafel schauen wollte oder zu den Klassenkameraden. Diese konnten wiederum über den Avatar auch direkt mit ihr sprechen. Fühlte sie sich nicht gut, war müde oder wollte nicht angesprochen werden, konnte sie dies durch verschiedene Gesichtsausdrücke des Roboters signalisieren.

„Meistens hatte ich ein lächelndes Gesicht eingestellt“, erzählt Priska. Viele Kinder und Jugendliche personalisieren „ihren“ Avatar, sei es mit einem Schlüsselband vom Lieblingsverein oder aufgeklebten Sommersprossen. Priska2 trug ein gelbes Haargummi, mit dem Priska früher ihre langen blonden Haare zusammenband.

Projekt von Lehrerin initiiert

Nach den guten Erfahrungen, die Gundula Weckenmann mit dem Avatar bei von Krebs betroffenen Kindern und Jugendlichen sammeln konnte, war für sie klar, dass sie das digitale Hilfsmittel auch für Kinder mit chronischen Erkrankungen wie Mukoviszidose, Diabetes oder Behinderungen einsetzen möchte, die häufig lange im Krankenhaus bleiben müssen. Sie wandte sich mit ihrer Bitte an die TK, die das Projekt nun unterstützt.

Der Avatar wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen Rheinland-Pfalz e.V. (LAG Selbsthilfe) angeschafft, die mit ins Boot geholt werden konnte. Die TK in Rheinland-Pfalz übernimmt im Rahmen der Selbsthilfeförderung die Finanzierung des Avatars sowie der technischen Unterstützung durch den Hersteller für drei Jahre.



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