Dr. Andreas Meusch

Krisenfestes Gesundheitssystem: „Von unseren Erfahrungen können andere profitieren“

Corona hatte uns kalt erwischt. Zu vieles musste während der Pandemie improvisiert werden. Die TK trägt dazu bei, dass wir für einen weiteren Krisenfall besser vorbereitet sind. Wichtige Impulse sind jetzt in einem Buch zusammengefasst: „Resilienz: Für ein krisenfestes Gesundheitssystem“. Ein Interview mit dem Herausgeber und TK-Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas.

Herr Dr. Baas, Sie sind Herausgeber des neu erschienenen Buches „Resilienz: Für ein krisenfestes Gesundheitssystem“. Resilienz – was ist das überhaupt?

Resilienz bedeutet die Fähigkeit von einzelnen Menschen oder Organisationen, mit außergewöhnlichen Krisen – so genannten „externen Schocks“ – fertigzuwerden, schnell die Leistungsfähigkeit zu stabilisieren und vielleicht sogar gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Diese Anpassungs- bzw. Widerstandsfähigkeit wird in der Wissenschaft unter dem Begriff „Resilienz“ zusammengefasst.

Ist es also ein Buch vor allem für Wissenschaftler?

Klares Nein. Es gibt bereits ein sehr gutes wissenschaftliches Gutachten des Sachverständigenrates Gesundheit zum Thema Resilienz. Da ergibt es keinen Sinn, ein weiteres Gutachten zu erstellen. Aber natürlich haben sich die Autorinnen und Autoren auch mit dem Gutachten auseinandergesetzt und eigene Positionen dazu formuliert. Das Buch richtet sich an alle, die sich für das Thema interessieren und vielleicht auch Verantwortung dafür tragen, dass wir besser durch die nächsten Krisen kommen – nicht nur in der Politik, sondern auch in Unternehmen. Krisenfest sein, das geht uns alle an.

TK-Vorstand Dr. Jens Baas

Warum macht die TK überhaupt ein Buch zu dem Thema?

Die Idee entstand während der Corona-Pandemie. Wir haben gesehen, wo wir im Gesundheitssystem Defizite hatten und wie alle Beteiligten improvisieren mussten. Da haben wir gesagt, das darf uns nicht noch einmal passieren. Als TK haben wir eine besondere Verantwortung, auch weil wir Teil der „kritischen Infrastruktur“ sind. Von unseren Erfahrungen und Einsichten können so auch andere profitieren.

Und wer schrieb am Buch mit?

Wir konnten neben internen Expertinnen und Experten namhafte Fachleute für Gastbeiträge gewinnen. Es sind nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch Menschen, die Verantwortung für Unternehmen tragen oder sich in ihrer beruflichen Praxis mit dem Thema Resilienz beschäftigen. Sie reichen von Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, der während der Pandemie als Unterabteilungsleiter im Gesundheitsministerium Chief Medical Officer Deutschlands war, bis zu Marc Wallert, der während seiner Entführung vor der Herausforderung stand, nicht den Kopf zu verlieren.

Warum hat die Corona-Krise niemand kommen sehen?

Das Schlimme ist: Die Fachleute haben so etwas kommen sehen. Es ist erschreckend nachzulesen, dass dem Bundestag bereits Anfang 2013 ein Bericht zum Bevölkerungsschutz vorlag, in dem beschrieben wurde, was zu tun ist – praktisch ist jedoch bis zum Ernstfall nichts passiert. Den Bericht kann man im Internet nachlesen.

 

Das Cover des neuen Buchs "Resilienz: Für ein krisenfestes Gesundheitssystem".

Die Krise war also der sprichwörtliche Elefant im Raum: Er ist da, keiner will ihn aber zur Kenntnis nehmen.

Ja. Obwohl klar war, dass früher oder später ein externer Schock wie die Corona-Pandemie kommen würde, waren wir einfach nicht gut genug vorbereitet. Das muss sich ändern – und dazu wollen wir mit dem Buch einen kleinen Beitrag leisten.

Und was gibt es sonst noch Spannendes zum Thema Resilienz?

Vieles! Spätestens in der nächsten für das Gesundheitssystem relevanten Krise müssen wir gewappnet sein. Wir haben vieles gelernt, beispielsweise was die nationalen Reserven von Schutzausrüstung angeht. Doch die Herausforderungen sind nach wie vor groß, Stichwort Pflegenotstand oder Lieferketten im Arzneimittelbereich.
Es gibt auch viele spannende Aspekte, die auf den ersten Blick nicht direkt das Gesundheitswesen betreffen. Beispielsweise die Stadtentwicklung, die sich viel stärker an den Klimawandel anpassen muss, wie Lisa Junghans und Andreas Matzinger argumentieren. Darüber hinaus fassen wir das „große Ganze“ in den Blick: Wie die Welt zum Dorf und Europa zur Gesundheitsunion wird, erklärt Daniel Dettling, Geschäftsführer der Gesundheitsstadt Berlin e.V., in seinem Beitrag.
Eines zum Schluss: Jede Krise ist anders und es wäre fatal, sich nur auf eine neue Corona-Welle vorzubereiten. Für jeden Menschen und jede Organisation gilt: Resilient ist man nur, wenn man auch von völlig unvorhergesehenen Ereignissen nicht aus der Bahn geworfen wird.

Weitere Infos

Das Buch umfasst 320 Seiten und ist ab sofort für 69,95 Euro im Handel erhältlich.



Lesen Sie hier weiter

Hände pflanzen einen Setzling ein Thomas Ballast Thomas Ballast
TK-Veranstaltung FutureDay Johanna Küther Johanna Küther
Ärztin und Patienten schauen auf ein Handy Dr. Jens Baas Dr. Jens Baas

Kommentieren Sie diesen Artikel

Lädt. Bitte warten...

Der Kommentar konnte nicht gespeichert werden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.