Michael Ihly

Klinikstrukturen im Wandel: Fusion sichert die Zukunft

Das Krankenhausangebot in der 60.000-Einwohner-Stadt Unna vor den Toren Dortmunds war mehr als 100 Jahre lang von zwei Kliniken geprägt. 2020 haben die beiden Häuser ein neues Kapitel geschrieben und sich zum Christlichen Klinikum Unna zusammengeschlossen – eine Fusion, für die es wenig Blaupausen gab. Im Interview zieht der Hauptgeschäftsführer Christian Larisch eine durchweg positive Bilanz.

Herr Larisch, Sie haben vor drei Jahren das katholische und das evangelische Krankenhaus fusioniert. Wie hat sich das auf die Versorgungsqualität und die Spezialisierung ausgewirkt?

Das Evangelische Krankenhaus Unna und das katholische Katharinen-Hospital haben 2015 begonnen, eine Fusion auszuloten. Zuerst wollten wir lediglich das Leistungsangebot stärker untereinander abstimmen und dadurch wirtschaftliche Potenziale heben. Wir kamen dann aber zu dem Ergebnis, dass eine gemeinsame Gesellschaftsstruktur Sinn macht. Wir haben lange verhandelt. Ab 2020 haben wir dann Prozesse vereinheitlicht und synchronisiert. Im medizinischen Bereich haben wir 2022 die beiden Abteilungen für Allgemein- und Viszeralchirurgie zentralisiert. Das verbessert die Versorgung und die Ausbildung, weil wir einheitliche Herangehensweisen haben.

Christian Larisch ist der Hauptgeschäftsführer des neuen Klinikums in Unna.

Wie wirkt sich das aus?

Aufgrund der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen sind bestimmte Leistungsangebote in Konkurrenz nicht zukunftsfähig, weil kleine Standorte die vorgeschriebenen Mindestmengen nicht erreichen. Beispielsweise bei komplexen darmchirurgischen Eingriffen oder Operationen an der Bauspeicheldrüse. Wir konnten diese Leistungsangebote langfristig absichern, indem wir die Fallzahlen von zwei Leistungsanbietern zusammengelegt haben. So können wir diese Leistungen weiterhin der Bevölkerung wohnortnah anbieten und gleichzeitig die Qualität verbessern.

Außerdem haben wir in Unna sehr viele sich ergänzende Leistungsangebote, die wir inzwischen besser verknüpft haben. Die Gefäßchirurgie des ehemaligen Evangelischen Krankenhauses arbeitet jetzt sehr eng mit unserer bestehenden Nephrologie (Abteilung für Nierenerkrankungen, Anm. d. Red.) zusammen. Bei einem Gefäßverschluss ist eine schnelle und reibungslose Zusammenarbeit der verschiedenen Teams gewährleistet. Das führt zu einer besseren Qualität. Auch bei der Zusammenarbeit zwischen der Neurologie und der Kardiologie oder auch der Neurologie und der Handchirurgie ist die Fusion ein Vorteil. Wenn Sie ein Unternehmen sind, dann sind zum Beispiel Konsilleistungen einfacher zu erbringen, und es gibt viele weitere Aspekte – aber es wird glaube ich noch eine ganze Zeit dauern, bis die Vorteile in Euro und Cent messbar sind.

Das Christliche Klinikum Unna in Zahlen

712 Planbetten
32.500 stationäre Patientinnen und Patienten im Jahr
mehr als 60.000 ambulante Patientinnen und Patienten im Jahr
rund 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Also gibt es eher qualitative als monetäre Vorteile?

Ja.

Zuerst wollten Sie beide Standorte beibehalten. Inzwischen wollen Sie die Standorte zusammenlegen. Warum?

Wir gingen zuerst davon aus, dass es logistisch und wirtschaftlich nicht möglich sein würde, beide Standorte komplett zu zentralisieren. Wir haben nur eine begrenzte räumliche Fläche am Standort Unna-Mitte. Aber die Krankenhausauslastung ist während der Coronapandemie zurückgegangen und die Verweildauer in der Klinik wird gleichzeitig kürzer. So können wir inzwischen Zentralisierungspotenziale nutzen. Die Patientinnen und Patienten profitieren von kürzeren Wegen und besserer Zusammenarbeit zwischen den Bereichen und Stationen – alles an einem zentral gelegenen Standort gebündelt. Wir glauben, dass das für die Zukunft der bessere und richtige Weg ist. Eine Zentralisierung ist aber nur durch eine Investitionsmittel-Förderung realisierbar.

Was bedeutet solch eine Fusion für das Personal?

Für das Personal ist es in allererster Linie ein kultureller Einschnitt. Die beiden Häuser standen zuvor im Wettbewerb. Wir hatten unterschiedliche Unternehmenskulturen und -strukturen, die über viele Jahre gewachsen sind und die wir jetzt vereinheitlichen müssen. Wir haben sehr schnell mit der Vereinheitlichung der IT-Systeme begonnen. Und das ist ein Prozess, der noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Ich glaube: Ein gemeinsamer Standort verbessert nicht nur die Qualität, sondern er wird auch das Zusammenwachsen beschleunigen. Dafür müssen aber erst einmal die Investitionsmittel vom Land bewilligt werden. Der Bewilligungsprozess zieht sich inzwischen über drei Jahre hin. Dass das so lange dauert, hätte ich früher nicht für möglich gehalten. Aber ich hoffe, dass wir den Zuwendungsbescheid in den kommenden Wochen in den Händen halten können. Bei der Zusammenführung der beiden Standorte reden wir immerhin über Investitionen in Höhe von 150 Millionen Euro für den Anbau an das bestehende Gebäude des Christlichen Krankenhauses Unna-Mitte.

Visualisierung des Erweiterungsneubaus.

Wie haben die Patientinnen und Patienten das wahrgenommen?

Die Patientinnen und Patienten, die Beschäftigten und die Bevölkerung haben das durchweg sehr positiv aufgenommen. Wir haben den Wandel lange vorbereitet. Es gab für das Personal aus beiden Häusern gegenseitige Hospitationen. Auch die Bevölkerung hier in der Region hat die Veränderung von Anfang an sehr positiv aufgenommen und begleitet. Natürlich sind die alten Namen noch in den Köpfen – da gibt es noch das Evangelische Krankenhaus Unna und das Katharinen-Hospital. Aber die Bevölkerung hat gesagt: Ist doch super, dass ihr jetzt endlich eins seid! Die Menschen suchen nicht die Konkurrenz, sie suchen die beste medizinische Versorgung.

Fusionen sind vor allem für die Beschäftigten ein schwieriges emotionales Thema…

Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab es emotionale Kommentare, wenn sie sich umstellen mussten. Positiv haben sie vor allem wahrgenommen, dass die Fusion die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes erhöht. Das war eine gute Botschaft für die Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig gibt es aber auch einen kleinen Anteil der Mitarbeitenden, der sich mit Veränderungen schwertut. Diese Menschen erleben eine Fusion als Verlust von Vertrauenspersonen, Heimat oder Gewohnheit. Ein Zusammenschluss zu einer größeren Einrichtung löst bei ihnen Angst aus. Das muss man auch ernst nehmen. So eine Krankenhausfusion braucht Zeit und Geduld, weil die zahlreichen Veränderungsprozesse moderiert werden müssen. Für das Mitnehmen der Menschen, sowohl bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch bei den Patientinnen und Patienten, ist das essenziell wichtig.

Was würden Sie anders machen, wenn Sie mit der Fusion noch einmal ganz von vorne anfangen könnten?

Wir würden nur ganz wenig anders machen. Bei bestimmten Verträgen würden wir mit der Erfahrung von heute früher anfangen, die Konditionen und Laufzeiten anzupassen. Gerade angesichts der aktuellen Situation auf dem Krankenhausmarkt war das damals eine absolut gute Entscheidung, eine Fusion so frühzeitig anzugehen. Hier in der Region gibt es Beispiele, wo zwei Krankenhäuser aus der Not heraus miteinander fusionieren wollen. Aber der Aufwand ist enorm. Das muss sowohl intern als auch extern gut durchdacht sein. Wenn sie wirtschaftlich angeschlagen sind, ist so ein Prozess deutlich schwerer zu verkraften.

Über unsere Serie "Klinikstrukturen im Wandel"

Unsere Krankenhauslandschaft ist historisch gewachsen und entspricht vielerorts nicht mehr dem Versorgungsbedarf. Wenn wir eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung gewährleisten wollen, sind Veränderungen also dringend notwendig. Unsere Beispiele zeigen, wie solche Veränderungsprozesse gelingen können – und dass Versorgungsqualität nicht an die Erhaltung einzelner Standorte gebunden sein muss.



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