Martin Rolfs vom Fraunhofer IMTE stellt den Studierenden das "LIROS"-System vor
Die Studentin Valeriya Zaruba bedient das "LIROS"-System
Lautes Piepen erfüllt den Raum, während an allen Ecken kleine Leuchten aufblinken. Als die PA-Studierenden im Fraunhofer IMTE (Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik) in Lübeck den Raum für roboterassistierte Chirurgie betreten, kommt fast schon Science-Fiction-Feeling auf. Martin Rolfs, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer, präsentiert der Gruppe das sogenannte „LIROS“-System. Per 3D-Brille, Bildschirm und Controller kann der OP-Roboter gesteuert werden. Nach einer kurzen Einweisung dürfen die angehenden Physician Assistants ran: „Gar nicht so einfach“, stellt Studentin Bibby Brill fest, die vor ihrem Studium bereits eine Ausbildung als Pflegefachfrau gemacht hat. „Mir fehlt das haptische Feedback bei der Bedienung.“ Ob man mithilfe dieser Technologie auch auf der Insel Helgoland über das Meer hinweg operieren könnte? Das ginge laut Rohlfs grundsätzlich überall. Voraussetzung: die Infrastruktur dafür steht.
Hintergrund: Was sind PAs?
Physician Assistants (PAs) sind medizinische Fachkräfte, die Ärztinnen und Ärzte unterstützen und eine Vielzahl von klinischen Aufgaben übernehmen können. Dazu zählen die Diagnose, die Behandlung und die Betreuung von Patientinnen und Patienten. Die teilnehmenden Studierenden haben bereits den Bachelor Physician Assistants erfolgreich bestanden und verschiedene medizinische Ausbildungen durchlaufen. Aktuell befinden sie sich im Masterstudium mit dem Schwerpunkt auf die ambulante Versorgung an der SRH-Hochschule. Der Präsenzteil im Studium wird in Heide durchgeführt. Die TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein engagiert sich in dem Studiengang, in dem sie Ausgestaltung eines Moduls zum Thema Telemedizin und Digitalisierung im Gesundheitswesen übernimmt und Praxistage wie diesen in Lübeck mitorganisiert.
Diese Möglichkeiten gibt es im Bordkrankenhaus auf der Fähre „Nils Holgersson“ noch nicht. Eine Offizierin zeigt, wie die medizinische Versorgung auf hoher See aussieht. Der kleine Raum ist spärlich eingerichtet. Medizinisches Personal? Fehlanzeige. Geschulte Offizierinnen und Offiziere übernehmen die Versorgung auf der zehnstündigen Überfahrt von Travemünde ins schwedische Trelleborg. Per Telefon kann bei Bedarf eine Ärztin oder ein Arzt zugeschaltet werden. Videotelefonie funktioniert aufgrund der mangelhaften Verbindung auf dem Meer allerdings nicht. Darüber zeigen sich die Studierenden verwundert, haben aber direkt eine Idee parat: „Da wir PAs medizinisch besser ausgebildet sind, könnten wir so perspektivisch die Akutversorgung an Bord übernehmen, wenn man uns dort einsetzen würde“, meint Melanie Heese.
Die Fähre „Nils Holgersson“ im Hafen von Travemünde
Das Bordkrankenhaus auf der "Nils Holgersson"
Videosprechstunde als fester Praxisalltag
Nächster Stopp der Exkursion: die moderne Hausarztpraxis von Dr. Ulrich von Rath im Hafenhaus Travemünde. Digitalisierung, Videosprechstunden und die Delegation von Aufgaben an nichtärztliches medizinisches Fachpersonal sind in der Praxis an der Tagesordnung. Für Dr. von Rath ist die Abgabe von Aufgaben beispielsweise an PAs entscheidend, damit er genug Zeit hat, um allen Patientinnen und Patienten in der Praxis gerecht zu werden.
Die Studierenden im Gespräch mit Dr. Ulrich von Rath in Travemünde
In der anschließenden Diskussion zeigen sich die Studierenden trotz großen Herausforderungen optimistisch: „Das Potenzial an Fortschritt und Weiterentwicklung der Medizin hat mich darin bestätigt, dass das Berufsbild des PA eine Perspektive hat und wir als „Pioniere“ des Studiengangs die Möglichkeit haben, uns aktiv in diese Weiterentwicklung einzubringen“, so Bibby Brill. Doch bis die PAs fest in die Versorgung integriert sind, sei es noch ein weiter Weg. Die Studentin Melanie Heese berichtet: „Wenn ich mich als PA vorstelle, sieht man in den Gesichtern nur Fragezeichen.“
Entlastung für Ärztinnen und Ärzte
Zukünftig sollen die PAs als hochqualifizierte Fachkräfte Ärztinnen und Ärzte bei bestimmten Tätigkeiten entlasten. Denn das ist dringend nötig: Überfüllte Notaufnahmen und lange Wartezeiten für Facharzttermine sind im deutschen Gesundheitssystem an der Tagesordnung. Daher sind mehr Effizienz und Effektivität gefragt. Dazu gehört eben auch, die Versorgung nicht ausschließlich auf die Ärztinnen und Ärzte zu konzentrieren. Dass die Patientinnen und Patienten für dieses Modell offen sind, hat auch der TK-Meinungspuls 2025 gezeigt: 89 Prozent der Befragten finden es gut, wenn Pflegekräfte oder medizinisches Fachpersonal bestimmte ärztliche Aufgaben übernehmen.