Auch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ erarbeitet derzeit Vorschläge, wie die Pflege strukturell und finanziell zukunftsfest aufgestellt werden kann. Dabei werden neben Finanzierungsfragen auch Aspekte von Innovation, Digitalisierung und KI-Nutzung einbezogen. Der aktuelle TK-Meinungspuls zeigt, dass viele Menschen digitalen Hilfen in der Pflege grundsätzlich offen gegenüberstehen – von Sensorik im Haushalt bis zu digitalen Kommunikationswegen mit Fachkräften.
Thomas Ballast ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK und verantwortet unter anderem den Themenbereich Pflege.
„#PflegeBleibt“ – was bedeutet das im Hinblick auf die Digitalisierung?
#PflegeBleibt bedeutet: Pflege muss auch in Zukunft funktionieren, bei stark gestiegenen Anforderungen – eine alternde Gesellschaft trifft auf einen wachsenden Unterstützungsbedarf und auf Berufe, die heute schon oft am Limit sind. Pflege ist anspruchsvoll, emotional fordernd und zugleich organisatorisch komplex. Genau hier kann die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leisten: Sie kann Abläufe vereinfachen, Informationen schneller zugänglich machen und die Zusammenarbeit aller Beteiligten verbessern.
Wenn Digitalisierung richtig eingesetzt wird, entsteht mehr Freiraum für das, worum es in der Pflege eigentlich geht: den Menschen. Beispiele hierfür sind die digitale Dokumentation und Verwaltung, telemedizinische Angebote oder Assistenzsysteme, die Routineaufgaben übernehmen. So kann Technik dabei helfen, Pflegearbeit zu erleichtern und die Qualität zu sichern. Digitalisierung bedeutet vor diesem Hintergrund also vor allem eines: eine große Chance.
Wo steht die Pflege beim Thema Digitalisierung?
Die Digitalisierung der Pflege schreitet zwar voran, ist insgesamt aber noch nicht flächendeckend etabliert. Die technische Infrastruktur in den Einrichtungen ist dabei die wichtigste Voraussetzung. Deshalb ist es entscheidend, dass ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur angebunden werden. Das ist die Grundvoraussetzung für eine sektorenübergreifende Vernetzung – und ermöglicht einen sicheren und schnellen Austausch von patientenrelevanten Daten. Dieser Anschluss ist gesetzlich verpflichtend. Seit Juli 2025 müssten alle Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur angebunden sein. Derzeit liegt die Quote jedoch erst bei rund 30 Prozent.
Erst durch den Anschluss an die Telematikinfrastruktur wird die effiziente Übermittelung von Informationen, beispielsweise über KIM (Kommunikation im Medizinwesen) ermöglicht. Mit KIM können wichtige Unterlagen, wie Befunde oder Rechnungen, sicher digital zwischen Praxen, Pflegeeinrichtungen oder Krankenkassen übermittelt werden.
93 Prozent der Befragten würden unterstützende Technik im Haushalt wie z.B. Sturzsensoren nutzen. Quelle: TK-Meinungspuls 2025.
Ermutigend ist, dass die Offenheit gegenüber digitalen und innovativen Lösungen in der Bevölkerung grundsätzlich vorhanden ist, wie auch unser Meinungspuls zeigt. Viele Menschen können sich vorstellen, digitale Pflegehilfen im Alltag einzusetzen, etwa Sensoren, die bei einem Sturz ein Notfallsignal aussenden, oder digitale Kommunikationswege, um mit Pflegefachkräften oder Ärztinnen und Ärzten in Kontakt zu bleiben. Auch politisch ist die Digitalisierung der Pflege ein Thema: Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege” befasst sich auch mit Fragen der Digitalisierung. Damit wird deutlich, dass das Thema inzwischen als zentraler Bestandteil einer zukunftsfähigen Pflegeversorgung verstanden wird. Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor, dabei ist der Handlungsdruck für eine nachhaltige und zukunftsweisende Reform hoch.
Pflege ist anspruchsvoll, emotional fordernd und zugleich organisatorisch komplex. Genau hier kann die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leisten.
Welche konkreten Schritte sind nötig, um die Digitalisierung stärker im Pflegealltag zu verankern?
Ein zentraler Schritt ist die bereits erwähnte vollständige Anbindung von Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur. Sie schafft die Grundlage dafür, dass Informationen sektorenübergreifend sicher ausgetauscht werden und hebt gleichzeitig Effizienzen. Ein Beispiel: Allein durch eine flächendeckende digitale Rechnungsabwicklung könnten bei der TK jährlich rund 3,7 Millionen papiergebundene Abrechnung maschinell verarbeitet werden. Das spart Geld, personelle Ressourcen und ist nachhaltig.
Entscheidend ist darüber hinaus, die Digitalisierung von Anfang an als festen Bestandteil des Pflegealltags zu etablieren und praxisnah zu vermitteln. Dazu gehört, digitale Prozesse in der Aus- und Weiterbildung zu verankern und entsprechend zu fördern. Nur wenn Pflegekräfte frühzeitig den sicheren Umgang mit neuen Technologien erlernen, können sie diese später gezielt und entlastend einsetzen.
Mehr Transparenz im System könnte zudem zu einer sofort spürbaren Entlastung für Angehörige und Pflegebedürftige führen. Wir fordern deshalb schon seit langem ein bundesweites Online-Portal, das freie Pflegekapazitäten sichtbar macht. Das würde pflegende Angehörige unterstützen und wertvolle Zeit sparen: Wer auf einen Blick sieht, wo Unterstützung verfügbar ist, kann schneller die passende Einrichtung finden. Gleichzeitig könnten so bestehende Angebote besser ausgelastet und Doppelstrukturen vermieden werden.
Was ist Ihr Appell für eine digitalere Pflege?
Die Offenheit in der Bevölkerung gegenüber digitalen Lösungen in der Pflege ist groß, diese Chance müssen wir nutzen. Viele Menschen sehen in der Digitalisierung eine sinnvolle Unterstützung im Pflegealltag. Gleichzeitig braucht es auf Systemebene schnellstmöglich verlässliche Voraussetzungen: Pflegeeinrichtungen müssen an die Telematikinfrastruktur angebunden sein und digitale Kompetenzen müssen gestärkt werden.