Anja Hollnack

„Kommunikation über Klimaschutz sollte wertebasiert sein“

Am 21. September fand in der TK der Aktionstag Nachhaltigkeit statt. Im Interview erzählt Kerstin Blum, Geschäftsführerin der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“, wie unser Gesundheitswesen nachhaltiger werden kann.

Zu oft wird übersehen, welche Rolle das Gesundheitswesen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz spielt. Bei einem internen Aktionstag der TK stand das Thema in Vorträgen, Impulsen und Mitmachaktionen im Fokus – ausgerichtet vom TK-Nachhaltigkeitsmanagement und Thomas Ballast. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der TK sagt: „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema für uns – sei es beim Blick nach Innen oder im Zusammenwirken mit unseren externen Partnern“.

Anschließend sprach Kerstin Blum, Geschäftsführerin der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ (GEGM) mit den TK-Mitarbeitenden über effektive Klimakommunikation und wie ein nachhaltiges Gesundheitswesen aussehen könnte.

Frau Blum, Gesundheitswesen und Klimawandel – was hat das eigentlich miteinander zu tun?

Das Gesundheitswesen selbst ist unmittelbar vom Klimawandel betroffen: Als größte gesundheitliche Gefahr des 21. Jahrhunderts verstärkt er Gesundheitsrisiken wie Hitze, Luftverschmutzung, Allergien und Infektionskrankheiten. Gleichzeitig trägt das Gesundheitswesen mit circa sechs Prozent in erheblichem Maße zu den CO₂-Emissionen sowie zum Ressourcenverbrauch bei und erzeugt hohe Abfallmengen. Zudem spielt es eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der gesellschaftlichen Veränderungen, die die Klimakrise erfordert, da es ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießt. 

Die Fakten zum Klimawandel sind bekannt. Was macht Klimakommunikation dennoch so herausfordernd?

Die Klimakrise widerspricht unseren üblichen Mechanismen zur Bewältigung von Problemen und Gefahren. Wir reagieren effektiv, wenn Gefahren akut und sichtbar sind: Brennt ein Haus, versuchen wir das Feuer zu löschen. Die Auswirkungen der Klimakrise sind nur schwer abzuschätzen und für viele nicht sichtbar. Das erschwert, Verantwortung für die Klimakrise zu übernehmen und Maßnahmen zu ergreifen. Bei GEGM schauen wir daher, wie wir Menschen zu diesem Thema besser erreichen können. 

Kerstin Blum ist Geschäftsführerin der Stiftung "Gesunde Erde – Gesunde Menschen".

Wie müsste Ihrer Meinung nach die Kommunikation rund um Klimaschutz und Klimawandel aussehen?

Die Kommunikation über das Klima sollte vor allem wertebasiert sein. Wir müssen die Menschen dort ansprechen, wo es sie berührt. Fakten sind wichtig und richtig, aber Handeln geht nicht ohne Emotionen. Gesundheit ist zum Beispiel ein zentrales Argument, da sie für jeden relevant ist.  

Klimakommunikation ist nicht „one size fits all“. Verschiedene Gruppen der Gesellschaft müssen unterschiedlich angesprochen werden: Bei einer jungen, liberalen Zielgruppe bietet es sich zum Beispiel an, Klimaschutz als Freiheitsschutz zu prägen. Es geht darum, positive und überraschende Beispiele zu finden, Denkmuster aufzubrechen und neue Blickwinkel zu vermitteln.

Mit Blick in die Zukunft: Wie sieht ein nachhaltiges Gesundheitswesen aus?

Das nachhaltige Gesundheitssystem erfordert zunächst die Auseinandersetzung mit der ökologischen Seite der Versorgung, etwa der Reduzierung von Müll und Ressourcen. Doch die eigentliche Herausforderung besteht darin, umfassende Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu erreichen, die wirtschaftliche und soziale Aspekte einschließt, wie nachhaltige Arbeitsbedingungen und die Einbindung der Patientinnen und Patienten.   

Außerdem ist wichtig, den Fokus von Kurzfristigkeit und Kuration hin zu Prävention und Gesundheitsförderung zu verlagern. Das erfordert eine Umstellung der Anreize im Gesundheitssystem, für eine effizientere Versorgung, die langfristig denkt und tatsächlich Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. Verschiedene Präventionsansätze, „Managed Care“ und ein Abbau von Über- und Fehlversorgung können dabei helfen, das Gesundheitswesen auf allen Ebenen nachhaltiger zu gestalten. 

Was muss in der Gesundheitspolitik dafür bewegt werden?  Was können wir als Krankenkasse dazu beitragen?

Die Frage, wie Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem umgesetzt werden kann, ist komplex und steht noch am Anfang einer großen Diskussion unter allen Beteiligten. Es gibt verschiedene Ansätze, wie Nachhaltigkeit in die Sozialgesetzbücher integriert werden könnte – konkrete Umsetzungsvorschläge stehen jedoch noch aus. Ebenso müssen die großen Reformen im Gesundheitswesen, wie die aktuelle Krankenhausstrukturreform, auch an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden.  

Die Rolle der Krankenkassen sehe ich darin, als „Anwalt der Versicherten“ deren Interessen zu vertreten, Versorgung sozial und wirtschaftlich nachhaltig zu ermöglichen sowie ökologische Nachhaltigkeit in das System einzubringen. 

Weitere Informationen

Kerstin Blum ist Geschäftsführerin der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, die sie seit 2019 mit dem Gründer Dr. Eckart von Hirschhausen aufbaut. Daneben entwickelt sie bei der Berliner Agentur „Die BrückenKöpfe“ Strategien zum Thema „Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“. Gemeinsam mit Eckart von Hirschhausen hat sie das Kapitel „‘Schönwettersystem‘ in der Klimakrise: Was Resilienz im Gesundheitswesen in Zeiten der Klimakrise bedeutet“ aus dem Sammelband von Dr. Jens Baas „Resilienz“ geschrieben.  



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