Du hast in diesem Jahr den Wettbewerb „Miss Germany“ gewonnen. Früher war das ein Schönheitswettbewerb, mittlerweile geht es aber um etwas anderes. Mit welcher Mission bist du angetreten?
Das stimmt, „Miss Germany“ ist seit 2020 gar kein Schönheitswettbewerb mehr. Es geht bei „Miss Germany“ heute darum, Frauen mit einer gesellschaftlich relevanten Mission eine Bühne zu bieten. Und mein Anliegen ist es, sicherzustellen, dass alle meine Patientinnen und Patienten gut und vollumfassend aufgeklärt sind. Ich möchte, dass die für sie relevanten Informationen laienverständlich und in ihrer Muttersprache zur Verfügung stehen, so dass wir uns im Gespräch auf alles Weitere fokussieren können. Damit das im hektischen medizinischen Alltag möglich ist, habe ich meinen eigenen Arzt-Avatar.
Valentina Busik, Dermatologin und "Miss Germany 2025".
Wie kam es dazu?
Ich war frustriert, mit wie viel Zeitdruck ich meine Patientinnen und Patienten an der Uniklinik versorgen musste. Und gerade in der Onkologie ist die Aufklärung so wichtig. Wenn ich dann vor den Betroffenen sitze und 15 Minuten Zeit habe, dann möchte ich diese sinnvoll nutzen und nicht durch Dokumente jagen. Also habe ich mich zuhause hingesetzt, recherchiert und festgestellt, wie gut die Qualität von Avataren mittlerweile ist. Also habe ich so lange herumprobiert, bis die KI-Valentina meine Patientinnen und Patienten über Krankheiten aufklärt – mittlerweile übrigens in allen Sprachen.
Neben Vollzeitjob, Doktorarbeit und Verpflichtungen als Miss Germany noch eben den KI-Avatar entwickeln, das klingt stressig. Was treibt dich an?
Das Gesundheitssystem ist ein System mit unterschiedlichen Anlaufstellen und vielen Problemen. Da gibt es seitens der Politik einiges anzugehen. Als Medizinerin selbst kann ich nicht viel ändern. Deshalb lege ich meinen Fokus auf die Patientinnen und Patienten. Denn sie sind diejenigen, die unter Schwachstellen im System am meisten leiden. Und auch ich kenne die Perspektive der Patientin. Ich weiß, wie es ist, wenn man sich von den Informationen überfordert oder nicht gut aufgehoben fühlt, wenn Zeit für Fragen fehlt. Wir wollen in der Medizin ja immer die gemeinsame, also die partizipative, Entscheidungsfindung. Aber die kann ja nur stattfinden, wenn die Menschen, die es betrifft, gut aufgeklärt sind. Und dafür mangelt es in der täglichen Praxis eben oft an der Zeit. Ich möchte, dass die Entscheidung von den Betroffenen kommt, weil sie ihre Situation und die Optionen verstanden haben.
Welche Reaktionen auf deinen KI-Avatar erlebst du?
Ganz zu Beginn habe ich ukrainische Patientinnen auf Russisch selbstständig und mit dem Avatar aufgeklärt. Sie waren einfach nur froh, dass sie alle Informationen bekamen, die sie brauchten und diese auch noch zuhause mit der Mutter oder dem Partner ansehen konnten. Berührungsängste erlebe ich von Patientenseite aus selten. Klar gibt es abseits davon immer wieder auch Menschen, die Sorge haben, dass die Ärzteschaft durch KI ersetzt wird. Ich finde es wichtig, diese Ängste ernst zu nehmen. KI ist aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Sie unterstützt bei der Diagnostik und erklärt geduldig die Anliegen von Betroffenen, wo im System oft nicht die Zeit ist. Beispiel Gastroenterologie: Ich kooperiere mit einer Ärztin, die mir erzählt, ihre Eingriffe dauern kürzer als die Aufklärung. Mit dem Einsatz des Avatars gewinnt sie Zeit, um mehr Patientinnen und Patienten versorgen zu können.
Wie ist der aktuelle Stand deines Projekts?
Momentan sind wir mit vielen Praxen und Kliniken im Gespräch und erarbeiten mit ihnen ihren eigenen Avatar, zum Beispiel entlang ihrer individuellen Aufklärungsbögen. Mit einer Hausärztin in Berlin setzen wir außerdem ein Pilotprojekt um, bei dem Patientinnen und Patienten wie bei einer Fastfood-Kette an einem Online-Portal empfangen werden. Dort können sie anstehende Termine einsehen und sich im Wartezimmer mit entsprechenden Videos schon vorab zum Beispiel über die anstehende Gürtelrose-Impfung informieren.
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Was steht als nächstes an?
Wir wollen den Arzt-Avatar mit einem weiteren Projekt, einer Anamnesebox für die Notaufnahme, zusammenführen. Diese Box wurde vom KI-Institut in Marburg unter Leitung von Prof. Martin Hirsch entwickelt und kann Vitaldaten erheben und ein Anamnesegespräch führen. Ziel ist es, jede Patientin und jeden Patienten versorgen zu können und die Fehlerquote dabei zu minimieren. Dies kann ein Anlaufpunkt für Menschen sein, die selbstständig in die Notaufnahme kommen und stabil sind. Anstatt sechs Stunden zu warten, können hier bereits Herz- und Atemfrequenz, emotionale Stabilität, Temperatur, Pupillen und vieles mehr erfasst werden. Anhand einer klassischen Symptomchecker-KI werden Symptome und Vorerkrankungen zum Beispiel in der eigenen Muttersprache abgefragt, Rückfragen gestellt und abschließend ein Bericht verfasst. Diesen muss immer noch eine Ärztin oder ein Arzt validieren, aber mit der Auswertung können sie viel schneller die Behandlung einleiten und eine Diagnose stellen. In dem Fall könnte eine Aufklärung über eine nun notwendige Untersuchung durch den Arzt-Avatar erfolgen. Ein Ergebnis kann auch sein, dass der- oder diejenige in der Notaufnahme nicht richtig aufgehoben ist. Dann könnten als nächste Schritte die Terminvereinbarung bei einer Fachärztin oder einem Facharzt oder eine telemedizinische Beratung anstehen.
Mehr Informationen
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