Thomas Ballast

Dänemark: Vorreiter in Sachen Digital Health

Wenn es um Beispiele für ein modernes und effizientes Gesundheitssystem in Europa geht, wandert der Blick gerne nach Dänemark. Seit gut elf Jahren wird das staatliche System radikal umgekrempelt.

Die Zahl der Akutkliniken in Dänemark wurde halbiert, die digitale Gesundheitsakte ist seit 2003 Teil des öffentlichen Gesundheitswesens, die Notfallversorgung wurde auf neue Füße gestellt. Digitale Lösungen gehören zum Alltag der rund 5,8 Millionen Dänen. Wie kann das funktionieren? Und: Was können wir von Dänemark lernen? Ich begebe mich auf einen Besuch ins Nachbarland.

Es gilt „Patient first“

Wir starten mit einer kleinen Delegation von TKlern im Krankenhaus in Kolding, einem der  landesweit 16 sogenannten Superkrankenhäuser. Was mir zuerst auffällt: Alles ist sehr ruhig und entspannt. Und das, obwohl hier jährlich 60.000 Patienten stationär behandelt werden und mehr als 520.000 ambulant. Wo sind sie alle? Nicht auf den Stationen, erklärt Klinikleiter Mads Koch Hansen. Denn in Dänemark kommen nur schwerkranke Patienten ins Krankenhaus und bleiben im Schnitt 3,4 Tage (in Deutschland sind es 7,5). Alle anderen werden ambulant betreut – in der Regel von Krankenhausspezialisten, denn niedergelassene Fachärzte gibt es im dänischen System nicht. Mads erklärt, dass in seiner Klinik die Devise „Patient first“ gelte. Und welcher Patient schlafe schon gern im Krankenhaus? Was mir noch auffällt: Überall stehen Computer. Mads lacht: Ja, ohne Computer geht hier nichts – Digitalisierung wird großgeschrieben.

Als Flowmaster Chefin in der koordinierten Notfallaufnahme

Flowmaster Kirsten im Einsatz

Beeindruckend ist auch die Notaufnahme. Die Wartezeit beträgt weniger als eine halbe Stunde, sagt Mads – denn jeder, der herkommt, hat vorher über eine zentrale Telefonnummer einen Termin bekommen. Im Kontrollzentrum der Notaufnahme in Kolding bedient eine erfahrene Pflegekraft das Telefon – sie nennt sich „Flowmaster“ und hat den Hut für das weitere Prozedere auf. Bei ihr gehen jeden Tag hunderte Anrufe ein – trotzdem wirkt auch sie gelassen.

Am nächsten Tag erfahren wir mehr über das Gesundheitsportal Sundhed.dk. Seit 2003 ist es Teil des öffentlichen Gesundheitsdienstes und wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. „Start small and scale big“ – das ist der Tipp, den Portal-Entwickler Jakob Uffelmann uns mit auf den Weg gibt. So haben wir es ja auch mit unserer elektronischen Gesundheitsakte TK-Safe gemacht. In Dänemark können Ärzte über das Portal Arztbriefe an Kollegen schicken, auf Bilder und Befunde anderer Fachkollegen zugreifen und E-Rezepte oder Laborbefunde versenden. Faxgeräte gibt es bei ihnen praktisch nicht mehr. Allerdings dürfen die Ärzte nur die Daten von Patienten einsehen, die sie selbst behandeln – und Patienten können Daten, die sie nicht teilen möchten, blockieren. Die Patienten können natürlich ihre gesamte Krankengeschichte einsehen. Das ist wichtig, erklärt Jakob – denn es gehe vor allem um „Patient Empowerment“. Und der Schlüssel hierzu sei vor allem Transparenz. Mittlerweile nutzen monatlich 1,7 Millionen Dänen das Portal – Tendenz steigend.

Erst anrufen, dann in die Notaufnahme

Spannend ist auch der Blick in die zentrale Leitstelle der Region Kopenhagen: Wer einen Notfall hat, ruft in Dänemark entweder die Nummer 112 oder, für weniger schwere Fälle, die 1813 an. Die Pflegekräfte (und bei der 112 auch Ärzte) am Telefon können anhand der Sozialversicherungsnummer bereits viele Daten des Anrufers am PC sehen und arbeiten einen Fragenkatalog ab, aus dessen Antworten sich die weitere Behandlung ergibt. Dieses System gibt es seit 2014. Anfangs war die Bevölkerung nicht gerade begeistert, erklärt uns eine Disponentin. Mittlerweile aber sei die Akzeptanz groß – vor allem, weil die Patienten durch die gezielte Steuerung nicht mehr so lange in den Notaufnahmen warten müssen.

Resümee: hohe Digitalaffinität und feste Strukturen

Am Ende sind wir alle sehr beeindruckt. Was ich mitgenommen habe? Dänemark ist anders – sehr digitalfreundlich und gut strukturiert, vor allem in der Notfallversorgung. Zugleich aber sind die Strukturen nur bedingt mit unseren vergleichbar: Dänemark hat ein staatliches Gesundheitssystem, das für seine 5,8 Millionen Einwohner gut funktioniert. Für unsere 80 Millionen bietet ein nichtstaatliches System durchaus Vorteile, überhaupt brauchen wir oft andere Ansätze. Dennoch habe ich viele wertvolle Eindrücke und Ideen gesammelt und bin mir sicher, dass wir noch weitere Gespräche führen werden.



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Prof. Dr. Volker Möws Prof. Dr. Volker Möws
Dr. Jens Baas Dr. Jens Baas

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