Vor Ort passgenau zu versorgen ist mit der geplanten RSA-Reform nicht mehr möglich? Solche Einwände sind insbesondere aus Baden-Württemberg zu hören, etwa aus dem Sozialministerium, von der Kassenärztlichen Vereinigung und Krankenhausgesellschaft oder der AOK. Wir und viele andere Kassen teilen diese Angst nicht – im Gegenteil.
Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung in Baden-Württemberg, und Daniela Amann, Leiterin des Geschäftsbereichs Kundenbindung und Versorgung bei Die Schwenninger, erklären auf Wir Techniker, warum das Fairer Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) auch die regionale Versorgung fairer macht.
Mit der anstehenden Reform des Finanzausgleichs der Kassen rückt auch die Versorgung vor Ort in den öffentlichen Fokus. Wie sind Sie als bundesweite Kassen in Baden-Württemberg aufgestellt?
Amann: Die medizinische Versorgung findet immer vor Ort statt, dort wo die Menschen leben und Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Wir von der Schwenninger haben hier den gemeinsamen Vertrag mehrerer Betriebskrankenkassen zur hausarztzentrierten Versorgung geschlossen und einen Vertrag zur frühzeitigen Diagnostik von Folge- und Begleiterkrankungen bei Diabetes Mellitus mit der Kassenärztlichen Vereinigung initiiert. Hinzu kommen individuelle Verträge, um die Versorgung in der Region Villingen-Schwenningen zu verbessern. Hier besteht ein enger Austausch zwischen den Ärzten vor Ort und unserem Gesundheitsmanagement. Unsere Versicherten profitieren damit von einer abgestimmten und zielgerichteten Behandlung.
Vogt: Als TK gestalten wir selbstverständlich ebenfalls die Versorgung hier vor Ort aktiv mit. Wir sind etwa gemeinsam mit anderen Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung im Telemedizin-Projekt docdirekt und beim neuen E-Rezept GERDA engagiert. Hinzu kommen 25 Selektivverträge, die wir mit Partnern schließen – etwa unser Psychotherapievertrag mit der Ärztevereinigung MEDI, die sportmedizinische Untersuchung oder die vernetzte Behandlung bei Herzkrankheiten. Und wenn wir Medizinstudierende im Land mit auf die TKDoc-Tour nehmen, um ihnen ein vorurteilsfreien Blick auf das Landarzt-Leben zu ermöglichen, trägt das zur guten Versorgung vor Ort bei.
Das geplante FKG nimmt auch Verträge in den Blick, die sich auf bestimmte Diagnosen beziehen – Stichwort „Diagnosevergütungsverbot“. Schadet das der Versorgung in Baden-Württemberg?
Vogt: Verträge sollen die Versorgung verbessern und nicht den Krankenkassen Vorteile beim Morbi-RSA verschaffen. Deshalb begrüßen wir, dass das FKG für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Kassen sorgt und auch das – ohnehin schon bestehende – Diagnosevergütungsverbot verschärft. Vergütung sollte auf Leistung statt auf Diagnosedokumentation fokussieren. Außerdem ist es schlichtweg falsch, zu behaupten, ein solches Verbot mache es unmöglich, Versicherte mit bestimmten Erkrankungen gezielt zu versorgen.
Amman: Der Versorgung schadet das nicht, im Gegenteil: Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, spezifische Versorgungsmodule anzubieten. Das ist und bleibt auch wichtig. Die Teilnahme der Versicherten ist dann über die Einschlusskriterien klar definierbar und auch gegenüber der Regelversorgung abgrenzbar. Durch die Etablierung solcher Versorgungsmodule, z.B. für die Versorgung von Patienten mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kann sich die Patientenversorgung weiter verbessern.
Das FKG beinhaltet auch eine Regionalkomponente. Glauben Sie, dass das die Versorgung im Land verändern wird?
Vogt: Eine Regionalkomponente wird die Versorgung im Land sicher nicht verändern. Bei der Regionalkomponente geht es darum, den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen gerechter zu machen. Die Versorgung der Versicherten ist in den einzelnen Regionen unterschiedlich teuer – dabei gibt es teilweise auch große Unterschiede innerhalb eines Bundeslands. Das wird bislang im Finanzausgleich nicht explizit berücksichtigt – zum Nachteil der Beitragszahler von Kassen mit vielen Versicherten in teureren Regionen. Eine Regionalkomponente gleicht diese Kostenunterschiede aus, auf die wir Kassen keinen Einfluss haben – und zwar auf Kreisebene, nicht auf Bundeslandebene.
Amann: Es kann nicht im Sinne der Versicherten im solidarischen GKV-System sein, dass Krankenkassen mehr Geld erhalten, als für die Versorgung nötig ist – nur weil ihre Versicherten in günstigeren Regionen leben. Wir begrüßen daher, dass diese Wettbewerbsverzerrungen nun durch eine Regionalkomponente reduziert werden sollen. Wir glauben, dass eine faire Finanzierung auch positive Auswirkungen auf die Einführung von innovativen Versorgungsformen haben wird.