Hubert Forster

Nachwuchs für Hausarztpraxen gesucht: „Hört uns Studierenden zu!“

Einen Einblick in den Alltag niedergelassener Ärztinnen und Ärzte – diesen ermöglichen die TK-Landesvertretung in Baden-Württemberg jungen Medizinstudierenden bei der alljährlichen „TK-DocTour“. Studentin Anna Züfle schildert ihre Eindrücke und erzählt uns, was ihr für die Zukunft besonders wichtig ist.

Sechs Medizinstudierende nahmen in diesem Jahr beim 10-jährigen Jubiläum der TK-DocTour teil. Auf der zweitägigen Tour von Ulm über Ravensburg nach Stuttgart besuchten sie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen, wurden von Vertreterinnen und Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der TK über die Arbeit in der Allgemeinmedizin informiert und tauschten sich mit Manne Lucha, Gesundheitsminister von Baden-Württemberg, aus. Anna Züfle aus Winnenden studiert im fünften Semester Medizin an der Uni Tübingen und fand sowohl Bestätigung als auch neue Aspekte ihrer Vorstellung von der allgemeinärztlichen Tätigkeit.

Anna Züfle aus Winnenden studiert im fünften Semester Medizin an der Uni Tübingen.

Frau Züfle, welche Eindrücke haben Sie bei der TK-DocTour 2023 gewonnen?

Vor allem nehme ich mit, dass die Arbeit als Hausärztin ein vielseitiger und spannender Bereich der Medizin ist. Während der TK-DocTour bekamen wir interessante Einblicke in verschiedene Praxen und moderne Versorgungszentren im ländlichen Raum Baden-Württembergs. Wir wurden von den Ärztinnen und Ärzten freundlich empfangen und konnten ihnen Fragen stellen, die man sich während eines Praktikums oder einer Famulatur vielleicht nicht zu stellen traut – wie zum Beispiel zum Verdienst oder im Praxisalltag.

Welche konkreten Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Praxisalltag mit?

Die Ärztinnen und Ärzte waren sehr ehrlich und aufgeschlossen. Es war spürbar, dass sie ihren Beruf mit viel Leidenschaft und Motivation ausüben. Überraschend war außerdem, dass man entgegen allgemeinen Vorurteilen mit etwas Organisation Beruf und Familie durchaus vereinbaren kann. Zwei Allgemeinmedizinerinnen aus Erolzheim, die wir bei der DocTour besuchten, führen eine Gemeinschaftspraxis mit ihrem Vater. Sie profitieren als Familie von der Arbeitsteilung und gegenseitigen Unterstützung.

Wie ist die Allgemeinmedizin an der Universität Tübingen aufgestellt?

Das Tübinger Institut für Allgemeinmedizin engagiert sich sehr für angehende Hausärztinnen und Hausärzte. Bereits ab dem ersten Semester gibt es erste Berührungspunkte zur Allgemeinmedizin. Manchen Studierenden ist nicht bewusst, dass auch die Allgemeinmedizin eine Facharztrichtung ist – und mindestens genau so vielfältig und spannend wie andere Fachrichtungen. Wir erarbeiten im Pflichtfach „Berufsfelderkundung“ anhand eines Fallbeispiels die interprofessionelle Gesundheitsversorgung einer Patientin oder eines Patienten. Man hat als Hausärztin nämlich nicht nur mit Facharztpraxen oder Krankenhäusern zu tun, sondern auch mit gesetzlichen Betreuern und Betreuerinnen, Pflegediensten und weiteren Berufsgruppen.

Zudem können Studierende am Wahlfach „Das volle Leben – Begegnungen mit Patient*innen und Expert*innen vor Ort“ teilnehmen: Fünf Tage hospitieren Studierende in verschiedenen Allgemeinarztpraxen und Gesundheitseinrichtungen im ländlichen Bereich. Ich habe auch daran teilgenommen, und dabei Mitstudierende kennengelernt, die ebenso wie ich schon früh Interesse an einer hausärztlichen Tätigkeit in einer ländlichen Region entwickelt haben.

Und was hat Ihr Interesse an einer Praxis „auf dem Land“ geweckt?

So wie einige meiner Mitstudierenden, bin ich selbst auf dem Land aufgewachsen und möchte nach dem Studium dorthin zurückkehren. Mich hat mein eigener Hausarzt inspiriert, der inzwischen im Ruhestand ist. Die Nähe zu den Menschen durch die langjährige Begleitung, dass man es mit verschiedenen Alters- und Sozialgruppen zu tun hat, und die Koordination ihrer Behandlung übernimmt – all das macht für mich den Reiz aus.

Was möchten Sie der Gesundheitspolitik bzw. Krankenkassen und Ärzteverbänden mit auf den Weg geben?

Hören Sie den Studierenden zu und reagieren Sie darauf – auf ihre Sorgen, Bedürfnisse und Wünsche! Denn wir sind die nächste Generation von Ärztinnen und Ärzten, die es nach dem Studium und der Weiterbildung in Deutschland zu halten gilt. Einige wandern aus Deutschland aus, weil sich die Arbeitsbedingungen und -belastungen nur schleppend ändern. Es kommen zwar qualifizierte und motivierte Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland nach. Der Spracherwerb und das Kennenlernen der Kultur sind jedoch Prozesse, die Zeit benötigen und eine Mehrbelastung bedeuten. Der Ärztemangel kann meiner Meinung nach so nicht ausreichend kompensiert werden. Darunter leiden letzten Endes am meisten die Patientinnen und Patienten.



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Nicole Battenfeld Nicole Battenfeld
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Prof. Dr. Volker Möws Prof. Dr. Volker Möws

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