Johanna Küther

#MedicaEconForum: Seit gestern alles anders

Donald Trumps Wahlsieg, Ampel-Aus und Neuwahlen vor der Brust. Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen für die Gesundheitspolitik? Darüber wurde vier Tage lang beim MedicaEconForum der TK diskutiert.

Dr. Jens Baas im Gespräch mit Jürgen Zurheide.

Selten waren sowohl die außen- als auch innenpolitische Lage so brisant, wie beim 13. MedicaEconForum der TK bei der weltgrößten Medizin- und Gesundheitsmesse MEDICA in Düsseldorf. Erst eine halbe Woche zuvor waren Donald Trump zum Wahlsieger in den USA erklärt, Christian Lindner entlassen und Neuwahlen angekündigt worden. Pünktlich zum Karneval, überschlugen sich also auch in Berlin die Ereignisse. Anders als den karnevalstrunkenen Jecken in der Düsseldorfer Innenstadt, war den gesundheitspolitischen Stakeholdern bei der Medica nicht zum Feiern zu Mute. Was bedeutet das Ampel-Aus für das Gesundheitssystem? „Viele der Themen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach werden nicht kommen“, zeigte sich TK-Chef Dr. Jens Baas besorgt. „Dabei stehen wir vor vielen Problemen im Gesundheitswesen: Es geht nicht mehr darum vorne zu bleiben, sondern darum, nicht ins Hintertreffen zu geraten“. Was vor der nächsten Bundestagswahl aus seiner Sicht unbedingt noch kommen müsse? Eine Reform des Rettungsdienstes und der Krankenhauslandschaft – auch wenn es bei letzterer im Bundesrat eng werden könnte.

Thomas Ballast und Karl-Josef Laumann im Gespräch.

Quo vadis Krankenhausreform?

Das zeigte sich dann auch am zweiten Tag, an dem Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, auf dem Podium stand. Nur wenige Minuten vor Programmbeginn piepten die Handys im Saal: „Eilmeldung: Neuwahlen am 23. Februar“ flackerte es über die Displays. Ob Laumann nach diesem Datum eine Wohnung in Berlin hätte, fragte Moderator Jürgen Zurheide. Bei guter Gesundheit würde man sich auf jeden Fall im kommenden Jahr auf diesem Panel wiedersehen, versicherte Laumann. Dass sich der Bund bei der Krankenhausreform an den Leistungsgruppen der Reform in NRW orientierte, begrüßte er ausdrücklich. Ob noch in dieser oder der nächsten Legislaturperiode, wichtig sei, dass Versorgungsstrukturen sichergestellt würden. Das befürwortete auch Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK: „Die Krankenhausreform ist strukturell der richtige Ansatz. Wir müssen darüber reden, wie die Versorgung verdichtet werden kann“. Eine stärkere Vernetzung auch mit dem ambulanten Sektor sei notwendig.

Daniel Cardinal (l.) und Dr. Christiane Groß (r.) diskutierten über Patientensteuerung.

Die Irrwege der Patientinnen und Patienten

Was es dazu braucht? Effektive Digitalisierung, zum Beispiel, um den Erstkontakt zu digitalisieren. Denn in einem System, das unter Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung krankt, müsse die Patientensteuerung in den Fokus gerückt werden, waren sich unter anderem Laumanns Staatssekretär Matthias Heidmeier und Daniel Cardinal, Leiter Versorgungsinnovation bei der TK, einig. Vielfach als Positivbeispiel zitiert: die Schweiz, in der der digitale Erstkontakt schon längst gelebt wird. Das helfe dabei, Notaufnahmen und Arztpraxen zu entlasten und die Patientinnen und Patienten zielgenau an den Ort zu lotsen, an dem die richtige Behandlung stattfinden könne. So könnte auch Ärztinnen im Berufsverbot während der Schwangerschaft oder in Teilzeit ermöglicht werden, weiterhin zu arbeiten und das System zu stützen, unterstrich Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbund e.V..

Mehr Pragmatismus, bitte!

Dass sich im Bereich der Digitalisierung schon einiges getan habe, betonte Dr. Jens Baas: „Wir haben schon an Fahrt aufgenommen. Das E-Rezept läuft mittlerweile ziemlich gut. Aber wir haben den Mindsetshift noch nicht hinbekommen.“ Er kritisierte, dass analoge und digitale Prozesse nicht mit demselben Maß gemessen würden. Kein Brief, kein Fax sei zu 100 Prozent sicher, von digitalen Prozessen würde man das jedoch verlangen. Das bremse die medizinische Entwicklung durch Datennutzung und das Einsparpotenzial durch Effizienzgewinne gleichermaßen, war sich der TK-Chef sicher.

Nachhaltigkeit – wirkt auf mehreren Ebenen

Digitalisierung als Allzweckwaffe – auch gegen den Fachkräftemangel? Das greife zu kurz, war sich Prof. Jochen Werner vom Uniklinikum Essen sicher und verwies auf das Thema Nachhaltigkeit: „Aus meiner Sicht ist auch Nachhaltigkeitsmanagement ein Thema zur Mitarbeitendenbindung!“. Mit Thomas Ballast war er sich einig, dass Berichtspflichten und Dokumentation auch in diesem Bereich viel Personal und Finanzen binden. Das Einsparpotenzial sei groß, die Verantwortung dementsprechend auch. Aber: „Lieber machen, als darüber berichten“, schlug Ballast vor – Pragmatismus auch hier ein Wunsch.

Von solchen Wünschen gab es viele bei dieser Medica, so wie auch Forderungen und Vorschläge an eine neue Bundesregierung. Einer davon: die Vorhaben eines Koalitionsvertrags auch wirklich umzusetzen. Anders als in vergangenen Jahren konnte man sich in vielen Diskussionsrunden auch über unterschiedliche Interessen hinweg eher auf Prioritäten einigen und Gemeinsamkeiten finden, denn angesichts der aktuellen politischen Umbrüche schienen bislang unüberwindbare Gräben plötzlich gar nicht mehr so tief. Bei der nächsten Medica wird eine neue Regierung voraussichtlich ein halbes Jahr im Amt sein – es bleibt spannend, welche Impulse sie in der Gesundheitspolitik setzen kann und wie beim nächsten MedicaEconForum darüber diskutiert wird.



Lesen Sie hier weiter

Josephin Klüver Josephin Klüver
Plakate Medica 2022 Johanna Küther Johanna Küther
Messestand Medica Econ Forum Jürgen Zurheide Jürgen Zurheide

Kommentieren Sie diesen Artikel

Lädt. Bitte warten...

Der Kommentar konnte nicht gespeichert werden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.