Josephin Klüver

Endometriose – kaum bekannte Volkskrankheit?

Fast jede zehnte Frau in Deutschland erkrankt an Endometriose. Obwohl sie oft der Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch ist, ist die Krankheit wenig bekannt. Im Interview erklärt Privatdozent Dr. Olaf Buchweitz, Leiter des Endometriose-Zentrums an der Frauenklinik an der Elbe, wie man die Beschwerden erkennt und wie sie behandelt werden können.

Herr Dr. Buchweitz, was genau verbirgt sich hinter der Diagnose Endometriose?

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die in Deutschland fast jede zehnte Frau im geschlechtsreifen Alter betrifft. Dabei wächst Gewebe, das dem der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Dieses kann an den Eierstöcken, im Bauch- und Beckenraum entstehen und unter anderem zu starken Schmerzen führen.

Priv.-Doz. Dr. med. Olaf Buchweitz ist Leiter des Endometriose Zentrums in der Frauenklinik an der Elbe in Hamburg und hat sich auf die Erkrankung spezialisiert.

Viele betroffene Frauen und Mädchen müssen sich anhören, dass ihre Beschwerden normal seien. Wie erkennt man die Krankheit?

Die Auswirkungen einer Endometriose sind vielseitig und zeigen sich bei den Betroffenen je nach Lebensphase auf unterschiedliche Art und Weise: Starke Schmerzen bei der Regelblutung oder beim Geschlechtsverkehr, anhaltende Unterbauchschmerzen trotz hormoneller Behandlung oder ein unerfüllter Kinderwunsch können darauf hinweisen. Es ist wichtig, jede Art von Beschwerden aufmerksam zu beobachten und diese abklären zu lassen. Bei jungen Frauen und Mädchen stehen auch die Angehörigen in der Verantwortung, deren Beschwerden ernst zu nehmen. Eine erste Untersuchung kann die Hausärztin oder der Hausarzt durchführen und bei Verdacht an eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen überweisen.

Wie kommen die Betroffenen zu Ihnen an die Klinik?

Als Endometriose-Zentrum arbeiten wir auf Zuweisung von Hausarztpraxen sowie Gynäkologinnen und Gynäkologen zur weiteren Abklärung von Verdachtsfällen. Wir sind mit vier Kolleginnen und Kollegen auf das Krankheitsbild einer Endometriose spezialisiert, haben teilweise auch sensiblere Geräte, um die Krankheit zu erkennen. Bei uns finden Anamnesegespräche statt, persönliche Beratung und auch Behandlungen. Wenn es notwendig ist, nehmen wir Bauchspiegelungen vor, die soweit möglich ambulant durchgeführt werden.

Wie läuft die Behandlung der Patientinnen am Endometriose-Zentrum ab?

Zunächst muss man zwischen den verschiedenen Arten der Krankheit unterscheiden: die sogenannte feinfleckig peritoneale Endometriose, tief infiltrierende Endometriose und die ovarielle Endometriose – auch bekannt als Eierstocks-Endometriose. Letztere beiden Ausprägungen können bereits durch einen Ultraschall erkannt werden. Durch eine vaginale Untersuchung ist auch ein Ertasten der Krankheit ist möglich, wenn es sich um die tief infiltrierende Endometriose handelt. Nur die leider häufigste Form, die feinfleckige peritoneale Endometriose, lässt sich erst durch eine Hormonbehandlung und eventuell notwendige Bauchspiegelung erkennen.

Durch die verschiedenen Arten und Ausprägungen der Endometriose handelt es sich bei der Behandlung nicht immer um die gleiche Vorgehensweise nach einem Schema F.

Bei Verdacht auf Endometriose gilt es, neben Anamnesegesprächen auch körperliche Untersuchungen durchzuführen. Durch sensible Ultraschallgeräte kann unter Umständen bereits eine Erkrankung festgestellt werden.

Durch die verschiedenen Arten und Ausprägungen der Krankheit handelt es sich bei der Behandlung von Endometriose nicht immer um die gleiche Vorgehensweise nach einem Schema F: Auch das Alter der Betroffenen, ob sie sich in einer Kinderwunschbehandlung befinden oder nicht – all diese Faktoren spielen hier rein und machen jede Behandlung individuell anspruchsvoll. Daher ist es besonders wichtig, weitere Meinungen einzuholen und eine ganzheitliche Behandlung anzubieten. So sind wir mit weiteren Fachzentren vernetzt: Je nach Behandlungsweg arbeiten wir mit Kinderwunschzentren, Physio- und Schmerztherapie oder Ernährungsberatungen zusammen und können den Patientinnen somit eine Behandlung anbieten, die mehrere Aspekte der Erkrankung aufgreift.

Dr. Buchweitz führt die Operationen wenn möglich ambulant in der Frauenklinik an der Elbe durch. Bei Bedarf kann eine OP stationär in einer der Kooperationskliniken durchgeführt werden.

Sie beschäftigen sich schon seit Jahren mit der Krankheit. Nun wurden von der Gesundheitspolitik mehr Forschungsgelder beschlossen; es soll mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wie stehen Sie zu den neuesten Entwicklungen?

Ich sehe, dass die Krankheit mehr Sichtbarkeit in Deutschland erhält, aber da ist noch viel Luft nach oben. Frankreich zum Beispiel hat Endometriose kürzlich als Volkskrankheit eingestuft und startet einen nationalen Plan für eine bessere Behandlung bei Endometriose – bei einer Betroffenenquote von zehn Prozent wäre es auch hierzulande notwendig, mehr für die Krankheit zu sensibilisieren. Der nun von der Gesundheitspolitik bewilligte Forschungszuschuss von fünf Millionen Euro kann dabei helfen – bisher waren es 500.000 Euro. Das ist sehr positiv und kann die Forschung weiter voranbringen.

Was raten Sie Betroffenen?

Besonders junge Frauen und Mädchen sollten ihre Beschwerden nicht einfach hinnehmen, sondern diese abklären lassen. Es kann bis zu sechs Jahre dauern, bis eine Diagnose vorliegt. Außerdem möchte ich dafür plädieren, bei Beschwerden und Verdacht auf eine Endometriose offener für eine Hormontherapie zu sein. Bis diese anschlägt, dauert es mindestens drei Monate – ist sie nicht erfolgreich, sollten sich die betroffenen Frauen an ein Endometriose-Zentrum wenden.

Weitere Details

Das Endometriose Zentrum der Frauenklinik an der Elbe bietet bei Verdacht auf Endometriose eine ganzheitliche Betreuung – über die Diagnose bis zur Behandlung hinaus bietet sie eine gute Anbindung zu Kinderwunschzentren, Schmerztherapiezentren oder Selbsthilfegruppen. Die Frauenklinik ist auf gynäkologische Behandlungen spezialisiert und führt diese minimalinvasiv und mit besonders schonender und sicherer Narkose durch, damit sich die Patientinnen sich rasch erholen. Aus diesen Gründen hat die TK seit 2022 einen speziellen Vertrag mit der Frauenklinik an der Elbe.



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